Huld für den Komponisten Witold Lutoslawski: Der bei diesem Projekt federführende Klarinettist Szymon Klima hat sich der Tänzerischen Präludien für Klarinette und Klavier beziehungsweise Kammerorchester angenommen, die der vor 21 Jahren verstorbene Pole Mitte der 1950er vorstellte, und sie teilweise aus ihrem festen Rahmen ins Improvisatorische überführt, ergo:
Richtig, "Retuned" rückt die Synergieeffekte zwischen Jazz und "klassischer" Musik ins Schlaglicht, wobei das Ergebnis tatsächlich Spaß macht, statt anzustrengen. Dem trägt das Quartett auch dadurch Rechnung, dass es nicht sprichwörtlich zum Lachen in den Keller geht (höre den Beginn von "Prelude II", überhaupt dem Höhepunkt des Albums), zumal Lutoslawski seinerzeit das Pseudonym Derwid verwendete, um als heiter und unterhaltend erachtete Musik zu schreiben; das galt nicht für die Präludien, wohl aber für den hier vertretenen Anhang "Stroke of Luck" (aus dem Polnischen übersetzt) mit Gastklarinettist Piotr Baron.
Was die Scheibe wie angedeutet für Jazzer herausragen lässt, ist die mitunter atemberaubende Interaktion des Basses mit Melodieinstrumenten, denn Kowalewski erweist sich als Meister aller Disziplinen, sei es rasendes Walking ("III") oder rhythmisch ausgeprägten Kontrapunkt wie gegen Ende von "IV". Dass die Tonfolgen letztlich so griffig geblieben sind, ist ein Verdienst von Instrumentalisten mit Verstand und machen "Retuned" auch für denjenigen ansprechend, der (wie der Rezensent) nicht mit dem Ausgangsmaterial vertraut ist.
FAZIT: Klassik trifft in wunderbarer Weise auf Jazz: "Retuned" zeigt die Elite der osteuropäischen E-Musik auf der Höhe ihres Könnens und im Geiste von Kunst, die unterhält, aber nicht auf Anspruch verzichtet.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.12.2015
Adam Kowalewski
Piotr Wyle?ol
Szymon Klima (Klarinette), Piotr Baron (Bassklarinette)
Hevhetia
44:07
11.12.2015