2014 erschien mit „Niagara“ das zweistündige Magnum Opus des kanadischen Liedermachers (den Begriff wollte ich immer schon mal benutzen. Äh, eigentlich nein. Nun aber) John Southworth. Ein durchweg hörenswertes Doppelalbum, auch wenn es auf der amerikanischen und kanadischen Seite des berühmten Wasserfalls gelegentlich eher beruhigend tröpfelt als vehement strömt.
„Small Town Water Tower“ zeigt sich mit einer Spielzeit von unter vierzig Minuten deutlich abgespeckt. Hat aber ansonsten aufgestockt. Mehr Instrumente, mehr Druck, mehr Düsternis, mehr Drama. Trotzdem federleicht, zu keinem Zeitpunkt überladen und dabei angenehm schrullig. Erinnert an den produktiven, aber unterschätzten MOMUS, an Gavin Friday und PREFAB SPROUT („Last Passenger Pigeon In Ohio“).
Die Keyboards pluckern, die Rhythmen rumpeln, künstliche Harfenklänge durchpflügen den Hintergrund, dazu existenzielle, leicht wahnwitzige Lyrics: „we’re born we cry we dance we die we fill our cup with god / we exorcise in caves of light we drink until we’re gone, the fire is on the wine is poured inside the restaurant / come sit by my wild mourning bride and feast until you’re gone” (“Sapphire Spirit”).
John Southworth verbindet auf höchst angenehme Weise, trotz des herrschenden Zwielichts, Electro-Pop, Chanson, zwei Prisen Folk und ein Scherflein Jazz zu einem Werk mit faszinierendem Flow. Nur stellenweise wirkt es ein wenig zu kokett. Aber Southworth fängt sich umgehend wieder. Selbstversunken, mit viel Luft zum Atmen, eindringlich und wunderschön.
FAZIT: „Small Town Water Tower” ist ein Album von traumhafter Wirkungsstärke. Fein gesponnener, versponnener Pop, voller dunkler Ecken und versetzt mit lyrischen Kanten, mit Melodien zum Dahinschmelzen. Konzentrierter, dramatischer als „Niagara“, leider auch viel kürzer.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.10.2016
John Southworth
John Southworth
Tin Angel Records/Indigo
36:47
07.10.2016