Es IRRLICHTert wieder im musikalischen Universum des Elektronik-Pioniers KLAUS SCHULZE!
Das sehr rührige Retro-Rettungs-Label MIG hat wohl den kompletten Schulze-Katalog erobert oder erworben und macht sich nun daran, konsequent alle elektronischen Schulze-Werke neu und hervorragend digital remastert sowie mit mindestens einem (oftmals ellenlangen) Bonus-Track versehen neu zu veröffentlichen. Dazu gehört grundsätzlich auch ein umfangreiches Booklet, das ausgiebig über Schulze und das entsprechende Album in englischer und deutscher Sprache informiert. Die Schulze-Angaben sind leider so gestaltet, dass sie wohl in jedem Booklet den gleichen Text enthalten - aber darauf kommt‘s im Grunde auch nicht an.
Was man dagegen unbedingt beachten sollte, ist die Tatsache, dass die MIG-Veröffentlichungen eins zu eins denen aus dem Hause InsideOut entsprechen, als sie den Schulze-Output unter „Revisited Records“ herausbrachten. Auch der Bonus Track ist dabei derselbe, nur das Booklet ist bei MIG umfangreicher. Wer also besagte Revisited-Ausgaben bereits besitzt, für den macht die Anschaffung der neuen MIG-Veröffentlichungen keinen Sinn, alle Anderen aber, welche die entsprechenden Alben noch nicht oder nur in ihrer ursprünglichen Form besitzen, sollten unbedingt zugreifen, da man an diesem Klang und den musikalischen Boni einfach nicht vorbeikommt!
Im Falle von „Irrlicht“ - dem ersten Schulze-Album nach dessen Ausstieg bei ASH RA TEMPEL, das nunmehr 44 Jahre auf dem Buckel hat - gibt es das 23 Minuten lange „Dungeon“ als zusätzliche Beigabe. Hierzu sollte man wissen, dass sich dieses Stück auf einem Tape aus dem Jahr 1976 versteckt hatte, welches einen Konzertmitschnitt aus Reims in Frankreich enthielt. Entdeckt wurde es von K.D. Müller, der den gesamten Berg von Schulze-Aufnahmen sichtet, ordnet und veröffentlicht. Nur war die Zuordnung dieses Titels sehr schwer, denn Müller glaubte, er ist Bestandteil des Reims-Konzerts, wogegen sich Schulze sicher ist, dass dies eine Studio-Aufnahme ist. Auch spielte Schulze zu dieser Zeit noch seine spezielle, modifizierte Orgel, weswegen diese Aufnahme noch deutlich vor dem Jahr 1976 liegen muss und es darum als Bonus auf die Wiederveröffentlichung dieses Schulze-Debüts schaffte.
Das ursprüngliche Album selbst trägt noch den Untertitel „Quadrophonische Symphonie für Orchester und E-Maschine“ und Schulze selber spricht davon, dass die Musik auf „Irrlicht“ noch mehr mit der Musique Concrète zu tun hat als mit der heutigen Elektronik:
„Ich hatte damals auch noch keinen Synthesizer. Ich besaß einen defekten Verstärker, den ich kurzgeschlossen hatte und der auch nur diese Platte durchgehalten hat - nach ‚Irrlicht‘ war er ganz kaputt! Auch die Orgel hatte ich modifiziert, damit sie nicht nach einer normalen Orgel klang. Das Colloquium Musica Orchester war ein richtiges klassisches Orchester. Ich bin einfach zu einer ihrer Proben gegangen. Die habe ich aufgenommen und das Band rückwärts laufen lassen und musste dafür noch nicht einmal was bezahlen.“
FAZIT: Kennt man diese Vorgeschichte, dann erscheint gänzlich unfassbar, was für beeindruckende Sounds Schulze mit diesen Voraussetzungen und unter diesen Bedingungen an Musik hervorbrachte. Aber dass man ihn damals deswegen als „Kosmischen Kurier“ bewarb, bringt ihn heute noch zum Lachen. Erfolgreich jedenfalls war diese Werbung - genauso erfolgreich wie diese Platte, die zu den führenden Kult-Werken elektronischer Musik zählt!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.05.2016
Klaus Schulze
Klaus Schulze
Klaus Schulze
Klaus Schulze
Klaus Schulze
Colloquium Musica Orchestra
MIG Music
74:24
18.03.2016