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Megadeth: Dystopia

Stil: Heavy Metal

Cover: Megadeth: Dystopia

So streitbar, wie Dave Mustaine als Mensch ist, so zwiespältig fielen auch die letzten Alben der Band aus, deren Alleinherrscher er ist: MEGADETHs letztes Album "Super Collider" war mit Verlaub ein Rohrkrepierer nach stetiger Abwärtskurve, die wiederum einem zwischenzeitlichen Hoch folgte, das man durchaus am zweiten Gitarristen (Chris Poland bzw. danach Chris Broderick) neben dem Bandkopf festmachen durfte (oder der "chemischen Ausgewogenheit" des Mastermind?), und "Dystopia" markiert aktuell einen deutlichen Aufwärtstrend … auch wenn beileibe nicht alles Gold ist, was auf Maskottchen Vics Augenblende glänzt.

Aktuell greift Mustaine auf Klampfer Kiko Loureiro (u.a. ANGRA, seine "südländische" Handschrift hört man insbesondere in "Conquer Or Die") und LAMB OF GODs Chris Adler am Schlagzeug zurück, weist aber in der Presse darauf hin, dass er diesmal möglichst alle Fäden selbst in die Hand nehmen wollte. Wie dem auch sei, MEGADETH bezeugen wieder mehr Liebe zur alten Schule als zuletzt, und speziell die Lead-Freudigkeit, die "Dystopia" zu Gehör bringt, gefällt vom perfekt einstimmenden Opener "The Threat Is Real" (schnoddrige Coolness wie auf "So Far …" vereint sich mit abgeklärter Kompaktheit und modern drückender Produktion) an durchweg. Weit zurück blicken auch das "Peace Sells …"-Wahnsinn vermittelnde "Fatal Illusion" und der Antreiber "Lying in State", ein später Höhepunkt der Platte.

Das Titelstück wurde arg plump auf "Rust In Peace" gebürstet, geht nämlich samt und sonders als "Hangar 18" in einer Light-Version durch, was man sympathisch finden kann, aber nicht muss. Wenigstens klaut Mustaine bei sich selbst, was andere alte Helden (ANNIHILATORs Jeff Waters etwa auf seinem 2015er Album) nicht von sich behaupten dürfen. In gleicher Weise sagt "Bullet to the Brain" hallo zu "Symphony Of Destruction" (mit dem man eigentlich bereits das Titelstück der zweiten LP abkupferte), aber geschenkt.

Der Fokus auf mittleren Temporegionen ("Fatal Illusion", "Bullet to the Brain") ist vielleicht die eigentliche Achillesferse von "Dystopia", obschon Dave dahingehend schon wesentlich Schlimmeres verbrochen hat ("The World Needs A Hero), also Schwamm auch hier drüber. Fürs Orchestrale haben sich MEGADETH wieder auf ihres Seilschaften zur Nashviller Produzenten-Familie Huff (Dann, Ronn) berufen (höre "Poisonous Shadows"), doch Bombast ist auf "Dystopia" nur ein kleiner Farbtupfer, was auch für "Lying in State" gilt, einen recht rockigen Ausreißer - quasi als Einstimmung auf die Coverversion von "Foreign Policy" aus dem Fundus von FEAR, der Hardcore-Legende um Mustaines MD45-Kumpel Lee Ving. Eigentlich könnten die beiden mal den "The Craving"-Nachfolger anpacken, vielleicht springt dabei wieder eines der besten MEGADETH-Alben heraus, das kein offizielles ist …

FAZIT: Tolle, tolle Solos und Leads, leicht überdurchschnittliches Songwriting, im Guten wie Schlechten diskussionswürdige (paranoide) Texte und eine solide Produktion (bloß dass Adlers Drums leicht künstlich klingen, aber das kennt man auch von seiner Hauptband) machen "Dystopia" zu einer der besseren MEGADETH-Scheiben der letzten Jahre. Hoffen wir, dass sich Dave Mustaine in der Öffentlichkeit um mehr Sympathie bemüht, dann muss man sich nicht rechtfertigen, so man sich (durchaus billigerweise) noch als Fan der Band bekennt.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.01.2016

Tracklist

  1. The Threat Is Real
  2. Dystopia
  3. Fatal Illusion
  4. Death from Within
  5. Bullet to the Brain
  6. Post American World
  7. Poisonous Shadows
  8. Conquer or Die
  9. Lying in State
  10. The Emperor
  11. Foreign Policy

Besetzung

  • Bass

    David Ellefson

  • Gesang

    Dave Mustaine

  • Gitarre

    Kiko Loureiro, Dave Mustaine

  • Schlagzeug

    Chris Adler

Sonstiges

  • Label

    Universal

  • Spieldauer

    46:46

  • Erscheinungsdatum

    29.01.2016

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