Dass Miller Anderson für die KEEF HARTLEY BAND spielte und sang, dürfte nicht nur regen Musikreviews-Lesern bekannt sein, ebenso seine Mitwirkung bei den DUKES, SAVOY BROWN, CHICKEN SHACK, der SPENCER DAVIS GROUP oder bei der HAMBURG BLUES BAND. Das gleiche gilt für die Kollaborationen mit Roger Chapman, Ian Hunter und Jon Lord, der Miller Anderson im Gegenzug auf „Bluesheart“ an der Orgel begleitete („Help Me“, „Runnin‘ Blues“ und auf dem Bonustrack „Houston“). Nicht ganz ins Portfolio passen die Tätigkeit für die von Marc Bolan neu besetzten T.REX und das knapp einjährige Engagement (1977-78) bei THE STRAWBS.
Ein umtriebiger Musiker, der Herr Anderson, der es zudem noch schafft Solo-Alben einzuspielen. Zwei davon, „Bluesheart“ & „Chameleon“, haben MIG Music, um vier Bonustracks ergänzt, zu einer „Collectors Premium“-Edition verschnürt. Im drallen Digipak samt Booklet mit den notwendigsten Infos.
Miller Anderson hat den Blues, oder der Blues ihn. So selbstverständlich präsentiert der Schotte sein Programm auf beiden Alben. Trotz gekonntem Instrumentaleinsatzes und innigen Gesangs wirken die Songs unangestrengt und nicht als Ausdruck harter Arbeit wie er vielen, nicht so begabten Kollegen aufs schweißnasse Gesicht geschrieben steht. Selbst einer ollen Kammelle wie dem „House Of The Rising Sun“ ringt Anderson noch interessante Aspekte ab. Nicht, weil er besonders exaltiert zur Sache geht, eher das Gegenteil ist der Fall, er erzeugt Faszination durch Reduktion aufs Wesentliche. Gitarre, Bass, Drums, einprägsamer Gesang. Er lässt es poltern, knarzen, reduziert seine und adaptierte Songs auf ihre Essenz.
Was dann doch besonders glänzt, wenn die Orgel prägend eingreift oder (seltener) eine Mundharmonika erklingt. Anderson bleibt dabei nicht stoisch der reinen Blueslehre verpflichtet, er bindet Folk, Country, Boogie und Reggae („Sing Your Song“) ein, begibt sich manchmal sogar in die Nähe von Van Morrisons Celtic-Soul („The Deamer“). Leider liebäugelt er auch mit 80er-Jahre „Born To Be Alive“-Disco und allzu simplem Rock’n’Roll, was die beiden „Chameleon“-Bonustracks zu ziemlich dumpf klingendem, überflüssigem Ballast werden lässt. „Late At Night“ hat immerhin ein starken Saxophon-Einsatz zu verzeichnen, der trashige Ausflug in die Bluesdisco „Nothing Is Any Fun“ ist alles Mögliche, nur kein Fun.
Überzeugen können aber beide Hauptwerke, trotz seltener Einbrüche ins Unverbindliche. Das kargere „Bluesheart“ ist dem klassischen Blues näher, das opulentere „Chameleon“ ist verspielter und flirtet gekonnt mit unterschiedlichen Stilen. Jedes hat seine Zeit, und die wird gut genutzt. Die vermeidbaren Bonustracks kommen glücklicherweise ganz zum Schluss.
FAZIT: „Collectors Premium: Bluesheart & Chameleon“ ist ein fein und passend zusammengestelltes Doppelalbum mit zwei Nach-Millenniums-Alben des schottischen Bluesbarden und Gitarristen. Miller Andersons Können und Charisma überzeugen selbst dann, wenn das Songmaterial schwächelt. Das ist aber nicht oft der Fall, deshalb ist die stimmungsvolle Reise durch die Gefilde des relaxten Bluesrocks – und alles, was Drumherum liegt – empfehlenswert
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.11.2016
John Price, Kris Gray
Miller Anderson, Frank Tischer, Kris Gray, Irene Chanter, Doreen Chanter
Miller Anderson, Norman Beaker
Frank Tischer, Dave Baldwin, Jon Lord, Miller Anderson
Paul Burgess
Miller Anderson (harmonica)
MIG Music
CD1: 66:52 / CD2: 50:00
29.07.2016