Da flattert einem in zartem Rot und Weiß ein musikalisches Origami-Vögelchen direkt aus Frankreich ins Haus und weckt im ersten Moment zärtliche, fast liebevolle Gefühle und entspannte Ruhe.
Doch dann das!
Kaum befreit man das Album von seiner Folie und freut sich darüber, dass einem ein echtes, kleines gefaltetes Origami-Kunstwerk-Vögelchen (Genau das, was man auf dem Cover sieht!) und drei Aufkleber entgegenfallen - schon steht einem die größte Überraschung bevor. Nämlich die Musik, die im kompletten Gegensatz zum ersten Eindruck steht, der einen überfällt, wenn man die entspannten Farben des Covers, den gefalteten Vogel und die runden Aufkleber betrachtet. Hätte man nur etwas genauer auf den Sticker geschaut - auf ihm steht nämlich auch „Mathcore“. Genau diese Musik erwartet uns wirklich, wenn die CD ihre ersten Runden in unserem Player dreht. ORIGAMI GEIJUTSU vergleichen sich selbst mit einem musikalischen Tornado und liegen dabei nicht unbedingt falsch. Brutaler instrumentaler Mathcore, dem zu keiner Sekunde die Luft ausgeht und so viel Druck entwickelt, dass der Origami-Vogel umgehend abheben und auf Nimmerwiedersehen wie ein Düsenjäger durch eine dunkle Wolkendecke ballert.
Fast verhalten beginnt das Album noch mit „Fig. 1“ und erinnert dabei an extrem frickelige KING CRIMSON, die auch mal ein paar brutal-metallische Hardcore-Seiten ausloten. Auch „The Randlett System“ weist ähnliche Parallelen auf, doch nun wird das Feuer erst richtig entfacht. Die Mathcore-Dynamik steigert sich von Minute zu Minute, das Schlagzeug ballert in beängstigendem Tempo durch die Stücke, während die Gitarre mithält. Immer wieder tauchen dabei aber ein paar Sekunden lang ruhigere, meist vom Bass bestimmte oder am Becken gestrichene und sogar ein paar akustische Gitarren-Momente auf, die <a href="https://www.youtube.com/user/origamigeijutsu" rel="nofollow">„The Hibakusha Haikus“</a> angenehm auflockern.
Auf „Paranoid“ darf OLIVIER HAESE abschließend noch zeigen, dass ORIGAMI GEIJUTSU auch mit wildem Growlen zurande kommen, selbst wenn dieser Bonus-Track nicht gerade zu den Highlights des Albums gehört.
Die französische Band beweist mit ihrem Debüt nicht auf Teufel komm raus, dass sie es schneller und lauter draufhaben, sondern auch ein feines Gespür für die ruhigen Gegenpole besitzen. Hierin liegt die besondere, zugleich progressive Stärke des Albums, das so zum Glück nicht in allgemeiner Mathcore-Gefälligkeit versumpft.
Wenn dann auch noch Gitarrist FRANCK MARTEAUX auf <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=15&v=1Ujbdi-sqys" rel="nofollow">„Differential Geometry“</a> zeigt, mit welch leidenschaftlicher Ekstase und großem Können er seine Gitarre malträtiert, wird einem auch der letzte Zweifel daran genommen, dass die Franzosen sich in die Reihen der leider viel zu ausgeprägten Mathcore-Stümperer einreihen, sondern ein beachtenswertes Album an den Start bringen, das neben der Musik auch noch mit toller Origami-Kunst zu punkten versteht.
FAZIT: Mathcore mit Niveau eben!
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.06.2016
Florent Gerbault
Franck Marteaux
Fabien Ricq
Olivier Haese (Gesang auf “Paranoid”)
Eigenvertrieb
33:03
29.05.2016