Für Kanada ist der Sound, den CLOSE TALKER mittlerweile auf recht eigenständige Art für sich erschlossen haben: Nur zu typisch - kein Wässerchen trüben können und dennoch nachdenklich, ja tiefsinnig daherkommen, das schaffen nicht wenige Gruppen aus dem Land, das als netterer Bruder der USA gilt.
Und "nett" ist "Lens" dann auch tatsächlich, was nach dem bisherigen Schaffen der Band nicht weiter überraschen dürfte. CLOSE TALKER räumen dem Keyboard einen mindestens genauso hohen Stellenwert ein wie der Gitarre, doch im Mittelpunkt steht unleugbar Will Quirings Stimme, der nicht nur kluge Lyrics verfasst, sondern sie auch glaubwürdig emotional vorträgt.
Der kratzige Stampfer 'Reptiles wirkt dennoch federleicht und verbreitet ansteckende Euphorie, die offensichtlich generell das Leitmotiv der Scheibe markiert. Trotzdem wie gesagt: CLOSE TALKER erzwingen nicht und halten sich wohlweislich zurück, statt zu dick aufzutragen. So weiß man bis zum Ende nie, was einen nach Beginn eines Songs erwartet, gleichwohl sich die Kompositionen letztlich in etablierten, vertrauten Bahnen entfalten.
Auf "Lens" verschmilzt die Eleganz der frühen COLDPLAY (höre das federnde 'All Of Us' zu Beginn oder 'Okay Hollywood') mit THE CUREschen Gothic-Untertönen ('Brothers', 'Waking Up'), ohne je etwas von der poppigen Anmutung aufzugeben, die sich CLOSE TALKER auf die Fahnen geschrieben haben. Dabei erweckt die Gruppe aber nicht den Eindruck, sich irgendwem anzubiedern.
Ihr Hit-Appeal scheint ihr auf natürliche Weise zugefallen zu sein, und dementsprechend natürlich ist der Gesamteindruck, den "Lens" hinterlässt.
FAZIT: CLOSER TALKERs 2017er Album ist ein hervorragender Gratwandler zwischen Pop und Prog, ARCADE FIRE und LOCAL NATIVES oder GENE LOVES JEZEBEL.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.04.2017
DevilDuck / Indigo
42:00
28.04.2017