Wenn jemand wie der distinguierte Jazz-Kritiker Bill Milkowski, den Gitarristen Gustavo Assis-Brasil über den grünen Klee lobt, kommt das nicht von ungefähr, denn der Einzelkämpfer bewährte sich im Lauf der Jahre mit einer ganz eigenen Lesart von Jazz im Kontext seiner ethnischen Wurzeln, die auf der Südhalbkugel dieser Musikwelt liegen. "Chromatic Dialogues" nun wird seinem Titel dahingehend gerecht, dass Assis-Brasil spielerische Gespräche mit anderen Musikern oder sich selbst eingeht, wobei das Tonmaterial eben nicht selten chromatische Lines nach sich zieht.
Dadurch entsteht ein mitunter abstrakter Eindruck, der im Zeichen aktueller Genre-Neuerer steht, aber im Grunde bereits schon spätestens (!) vor 30 Jahren in der Szene zu verorten war, sei es bei Grenzgängern wie KING CRIMSON oder der skandinavischen Jazzrock-Schule. Bei Gustavo Assis-Brasil gehen Samba-Rhythmen, rasante Walking-Bass-Linien ('Gee') und beschauliche Balladen wie 'Always Here' sowie 'Olivia mit gewollt avantgardistischen Klangeindrücken einher, die eigentlich gar nicht mehr so unvertraut klingen.
Das macht die Platte zu einem umso runderen Unterfangen. Latin Jazz stößt auf Frickeliges wie 'CC' oder die anheimelnde Arpeggio-Studie 'Study 5', die ins klassische Feld hineinragt; das spacig schwebende 'S.M.' steht impressionistischen Fingerübungen wie die Dialoge '1' und '4' anheim (letzterer ja auch konkret mit Widmung),die an das Schaffen von Allan Holdsworth während der 1980er erinnern. Alles ist möglich auf "Chromatic Dialogues", wobei die atemberaubenden Schlagzeug-Fills von Mauricio Zottarelli an der immerzu richtigen Stelle gesondert hervorgehoben seien.
FAZIT: Fusion oder Jazzrock im ursprünglichen Sinn, vermischt mit heimatlichen Instrumenten des Künstlers, ergibt summa summarum auf "Chromatic Dialogues" eine geläufige, aber trotzdem frische Kombination vor allem für Auch-Musiker, die einem Profi auf die Finger schauen möchten. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/9dd51a4aa18140c09b43d435b8a887f2" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.01.2017
Tony Grey, José Pienasola
Gustavo Assis-Brasil
Vardan Ovsepian
Mauricio Zottarelli
Eigenvertrieb
36:09
11.11.2016