Tontechniker bzw. Multi-Instrumentalist Michel Simons und Adrian Jones von NINE STONES CLOSE haben ihre unterschiedlichen Ansätze beim Schreiben von Musik einmal mehr unter einen Hut gebracht und das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit unter dem Banner JET BLACK SEA "Absorption Lines" genannt. Die in Leiden ansässigen Strippenzieher folgen dem Pfad, den sie 2013 auf "The Path of Least Existence" vorgaben, und verweben ihre Prog-Wurzeln mit einem Ansatz, den wohl MASSIVE ATTACK zuerst im Mainstream vorstellten.
Allerdings wirkt das neue Album des Kernduos nicht anachronistisch trip-hoppig, sondern tatsächlich eigenständig, weil die beiden stilistischen Hauptkomponenten - minimalistische Elektronik von düsterem Kolorit und gitarren-lastiger Artrock - nicht nebeneinander zu existieren scheinen, sondern sich vereinen, so wie es eigenständiger Kunst ja auch geziemt. Kunstvoll kann man die liedhaften Klanggebilde von JET BLACK SEA auch auf jeden Fall nennen.
"Absorption Lines" markiert eine Steigerung, wenn man es klanglich und kompositorisch mit seinem Vorgänger vergleicht. Die Macher haben hörbar sorgfältig an Arrangements gefeilt, denen findige Ideen vorausgingen, und schaffen mit Flöte (Tony Patterson) sowie Soundscapes von Produzent Paul van Zeeland ein Inbild der postmodernen Interpretation eines längst etablierten Stils. Erfreulich auch: die Kurzweil, die das Material entgegen seiner epischen Breite versprüht.
Weltmusik und Trip-Hop-Coolness gehen im Progressive Rock auf, ohne dass der Eindruck eines Pastiche entsteht, zumal NINE-STONES-CLOSE-Weggefährte Adrian 'Aio' O'Shaughnessy dem Projekt als Sänger unter die Arme greift (unbedingt hören: 'Cathedral', ein Gänsehautstück erster Güte), während weitere Gehilfen auch bei KNIGHT AREA oder REGENESIS musizieren. Somit schließt sich für die Ideengeber ein, äh … CIRCLE.
FAZIT: Gelungene Abstraktion von Prog im Kontext entrückt urbaner Neunziger-Klänge - JET BLACK SEA verschmelzen elektronische Kühle mit rockiger Wärme und erzeugen Beklemmung, die sich immer wieder mit befreiender Wirkung auflöst.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.08.2017
Freia
55:25
04.08.2017