Du schwitzt, unter sommerlicher Hitze und den öffentlichen Verkehrsmitteln leidend, dein GORGOROTH-Shirt voll, als dir auch noch der letzte Rest Trvness abhanden kommt: Lautes Lachen? Nüchtern? In der Öffentlichkeit? Schöne Bescherung. Und warum? Wegen dieses Klamauk-Westfalen, dessen neuster literarischer Erguss „Straßenköter“ humorig den Rachen hinunter gluckert – like cracking open a cold one with the boys: Wohl nicht das Delikateste, was man in diesem Leben kosten wird, aber es geht runter wie nix.
Womit wir schon beim Thema wären: Alkohol und Metal, mitunter zwei Hauptzutaten des Plots.
Dieser Plot ist nach dem klassischen Odyssee-Schema (moderner Ausdruck: Roadtrip) angelegt: Langwierige Irrfahrt, angefüllt mit Abstrusitäten, am Ende: Heimkehr. Nur, dass der gute Odysseus nicht in die weite Welt hinaus segeln musste, weil ihn seine Frau nach Fremdbeischlaf verlassen hat und dass seine vertrottelten, versoffenen Gefährten ihn nicht per Tourbus, sondern per Schiff begleiten. Anstelle der Schutzgöttin Athene hat Torben, Protagonist des Buches, der sich, da verlassen und verzweifelt, als Tourmanager für die frohgemute Newcomer-Metalband Clothelines From Hell verdingt, eine Bulldogge namens Lemmy und den geistreichen Geist seines toten Freundes Sven – ist doch was, oder?
„Staßenköter“ stellt den dritten Teil von Micha-El Goehres „Jungsmusik“-Trilogie dar und schafft es, den flapsigen Humor seiner Poetry-Slams (siehe <a href="https://youtu.be/zIunxsaVFNM?list=PLqf4QHvwFD-OO3fP5WjjhZlY0kW31nixL" rel="nofollow">„Tagebuch eines Black-Metal-Fans“</a>), der das blumige Übertreiben zur Kunstform erhebt, mit dem nötigen Ernst zu vermählen, den es für eine zusammenhängende Handlung eben braucht. Diesen Ernst findet man nicht nur in Torbens Beziehungsproblemen – immer wieder schneidet das Buch auch unbequeme Themen wie das Aussterben der Konzert-Kultur, die Oberflächlichkeit von Marketing-Mechanismen, oder die unzähligen, aufstrebenden Musikern in den Weg gelegten Steine an.
Alles in allem ist „Straßenköter“ ein liebevolles Auf-die-Schippe-nehmen der Metal-(Fan-)Kultur – intensives Namedropping, augenzwinkerndes Überzeichnen und halbironisches Glorifizieren von Klischees einerseits, andererseits eine Hymne auf die Musik und ihre Fangemeinde mit all ihren Sitten und Gebräuchen. THIS IS A CALL TO HUGS – oder so.
FAZIT: Eine Mischung aus „Der Hundertjährige, der usw.“ und „Er ist wieder da“, nur mit Metöööl. Wer für lange Festivalanfahrten noch Lektüre braucht – bitteschön! Leichte, nicht seichte, absehbar unabsehbare Slapstick-Literatur, angeschrägter, aber nicht allzu abseitiger Szenehumor mit einer Prise Ernsthaftigkeit. Da kann man wenig falsch machen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.07.2017
Micha-El Goehre
Satyr Verlag
257 Seiten
15.12.2016