Drogeneskapaden, Skandälchen blabla … Gregory John McCormick und SHOCK THERAPY sind eine größere Underground-Geschichte in den USA der mittleren 1980er gewesen, heute aber vielleicht zu Unrecht nur Insidern im "Gruft"-Bereich bekannt, was sich mit dieser Compilation vielleicht ein wenig ändern wird.
Zu wünschen wäre es dem Künstler, denn sein Schaffen hat eine Menge für sich und gibt derart gebündelt einen Eindruck dessen wider, was Coldwave, frühen Industrial und angrenzende Movements ausmachte. Ruhige wie schräge Nummern wie 'I Never Asked For This' paaren sich mit einer urban kalten und doch irgendwie anheimelnden Atmosphäre teils zu "left of field"-Hits und teils zu experimentellen Klangkulissen im Geiste früher EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN.
SHOCK THERAPY sind somit EBM-Vorreiter und Gothics im ursprünglichen Sinn, die zumindest Eingeweihte dank Gassenhauern wie 'The Glory Of Pain' oder dem futuristisch zischenden 'Let Me Go' liebgewonnen haben. Kratzige Gitarren zeichnen Gregs Sound nicht selten aus, nachzughören im zwischen pulsierend und säuselnd schlingernden 'Running' oder der Gesangs-orientierten Hymne 'Deliver Me', die mit poppiger Subtilität und treibendem Rhythmus glänzt.
Die antiquierten Eighties-Synths vor allem von 'Theatre Of Life' und der Wave-Ballade 'Violent Memories' passen gleichsam gut zu kompakten Tracks wie 'Hard To Face Me' oder 'Pain', das siebenminütige 'Come And Dance With Me' und das nur unwesentlich kürzere Epos 'Hate Is A 4-Letter Word' mit seiner sehnsüchtigen Anmutung und kuriosem Klavierintro markieren das andere Ende des dynamischen wie stilistischen Spektrums von SHOCK THERAPY.
Das kompositorische Vermögen des Einzelkämfers mutet beachtlich im Hinblick darauf an, dass er bei der Entstehung dieser Lieder teilweise erst 19 war - aber kann er die Früchte seines Schaffens ernten? Kaum zu fassen, dass er Verkaufszahlen im fünfstelligen Bereich verzeichnete, aber gut, das waren andere Zeiten …
FAZIT: Eingedenk der Liner Notes handelt es sich bei "Theatre Of Shock Therapy" um eine liebevoll, wenn auch passend schroff inszenierte Werkschau eines Menschen, der Musik dezidiert als Therapie begreift - SHOCK THERAPY eben. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/e4983dbb8ce64fc78225dcc7cff6acd6" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.03.2017
I Am Surprised / Soulfood
147:30
24.03.2017