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Sistra: Bearing

Stil: Progressive Rock

Cover: Sistra: Bearing

Bei SISTRA, dem kreativen Vehikel von Multi-Instrumentalist Fabrizio Di Vicino, bleibt auf "Bearing" mehr oder weniger alles beim Alten, was vielleicht auch gut so ist. Das aktuelle Album der Band beschreibt praktisch den Status quo zeitgenössischer italienischer Rockmusik im Prog-Bereich und verzeichnet dabei viele Stücke, die man als Genre-Fan in diesen Monaten nicht verpassen sollte.

Als Inhaber des Labels, das SISTRAs Alben herausbringt (und wohl auch vorwiegend zu diesem Zweck gegrünet wurde, liegt Di Vicino seine eigene Band wohl besonders am Herzen, was ihre Alben zu den bisher am aufwändigsten in Szene gesetzten von Psych Up Melodies macht. Der eigenwillige Charakter eines liebevollen Indie-Produktes bleibt indes bewahrt.

SISTRA haben jahrelang weitgehend von der Szene-Öffentlichkeit unbeachtet an ihrer Kunst gefeilt und sich zu bewanderten Songwritern wie Handwerkern gemausert, die recht genau wissen, was sie möchten. Diese Entwicklung schließt aber bis heute nicht aus, dass sich die Herren einem andauernden Erkundungsdrang hingeben, und dieser kommt auf "TBearing" ein ums andere Mal zum Tragen, ohne dass man von misslungenen Versuchen sprechen müsste.

Ein Durchbruch auf breiterer Ebene wird SISTRA mit ihrem aktuellen Material sicherlich verwehrt bleiben, doch darauf legen es die Musiker auch gar nicht an. Sie fordern den Hörer und belohnen ihn mit originellen Ideen, für deren Mitvollzug man keineswegs selbst Instrumentalist sein muss, machen also doch im Grunde Musik fürs Herz - bei allem intellektuellen Kalkül.

Gleichwohl SISTRA nicht durchweg auf härtere Klänge setzen, beeindruckt ihr Umgang mit verzerrten Gitarren in gleichem Maße wie der eher zarte Anteil von "Bearing"; beide relativen Extreme halten sich im Verlauf des Albums die Waage, während in stimmungsmäßig eine unterschwellige Nervosität vorherrscht, die sich in fiebrigen Bass-Linien und geradezu stoischer Rhythmik äußert. Diese assoziiert man zwar mit dem Gegenteil, doch tatsächlich trägt ihr Stoizismus zur Spannung bei.

Gaia Vittozzis Gesang bleibt wie auf den vorangegangenen Veröffentlichungen der Gruppe ein "acquired taste"; ihre ungewöhnliche Herangehensweise an den Einsatz der menschlichen Stimme im Kontext fülliger Rock-Arrangements erweckt zunächst einen sperrigen Eindruck, den man allerdings überwinden kann - vorzugsweise indem man bei 'Psyche' ansetzt, einem besonder schnell fassbaren Song.

Zu den weiteren Höhepunkten zählt 'Drunk Flight', und zwar aufgrund der stimmigen Verzahnung natürlicher mit elektronischen Klangerzeugern, sowie 'Oblivion', mit dem sich SISTRA erfolgreich an folkloristischem Psychedelic Rock versuchen.

FAZIT: "Bearing" ist ein anspruchsvolles Progressive-Rock-Album, wie es momentan nur aus Italien kommen kann. SISTRA gehen beim Schreiben und Spielen (Improvisieren?) ohne Berechnung vor und schaffen ein außerordentlich eigenständiges Album für Szenegänger, die sich nicht mit der Tagesordnung zufrieden geben. Hätte im Grunde auch bei Altsphere herauskommen können …

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.09.2017

Tracklist

  1. Paralleli
  2. Una Pedina
  3. Chiaroscurri
  4. Onde
  5. Le Parole
  6. Ziqqurath
  7. Bearing
  8. Drunk Flight
  9. Living Casket
  10. Psiche
  11. Oblivion
  12. Stasi

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Edizioni Psych Up Melodies

  • Spieldauer

    69:34

  • Erscheinungsdatum

    01.09.2017

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