Nach einer sechsjährigen Pause - fatal im schnelllebigen Musikbusiness - fangen ANCESTORS im Grunde genommen wieder bei Null an. "In Dreams and Time", der Vorgänger ihres nun vorliegenden fünften Albums, hat seinerzeit gespaltene Reaktionen hervorgerufen und das mit neuem Schlagzeuger zum Trio geschrumpfte Quintett gezwungen, in sich zu gehen, umzudenken, natürliches Zusammenwachsen zuzulassen …
Darum wundert man sich nicht darüber, wie kurz sich ANCESTORS derzeit fassen, ohne an Experimentierfreude und vor allem Wucht einzubüßen. Den elegischen Epic Doom des eröffnenden 'Gone' könnte man sich aufgrund seiner verträumt "floydigen" Machart zwar praktisch auch von Pallbearer oder mit Abstrichen Khemmis vorstellen, doch der Dreier aus Los Angeles schlägt von Beginn an Kapital aus seiner neuen Errungenschaft, einer Kirchenorgel als maßgeblichem Gestaltungsmittel.
Wie die Band dem auf der Bühne Rechnung tragen wird, bleibt abzuwarten, doch fürs Album gilt: Das Instrument mit den sage und schreibe fast 2000 Pfeifen verleiht dem ätherischen Post Rock von ANCESTORS mehr Charakter, als es je hatte. Gleichzeitig haben die Mitglieder ihr Hauptaugenmerk aufs Komponieren von Songs als solchen gelegt, was der Eingängigkeit zugute gekommen ist. Gitarrist Justin Maranga hält sich als Sänger zurück, doch wenn er seine Stimme erhebt, geht sie inmitten der orchestralen Pracht beinahe unter, wie man besonders deutlich in 'Into The Fall' oder 'Gone Through A Window' hört.
Vocals werden also einmal mehr ein zusätzliches Instrument, doch da die Melodien auf "Suspended In Reflections" weiter denn je im Vordergrund stehen, ist dies sogar von Vorteil. Auch weil die Stücke teilweise ineinander übergehen, wirkt die Scheibe wie ein einziger Ton gewordener Traum mit einigen Hooks, wie ANCESTORS sie sich zu keiner früheren Zeit erlaubt haben. Dies ist ihr bestes Werk seit dem nunmehrigen Untergrund-Klassiker "Of Sound Mind" von 2009.
FAZIT: Prog-Space-Doom und Orgel-Rock der anderen Sorte - "Suspended In Reflections" zeigt die Rückkehrer ANCESTORS unerwartet auf dem Zenit ihres Schaffens. Mit wiedergewonnenem Fokus, Jazz-Noir-Würze ('Release') und einem grandiosen Metal-Finale inklusive knarziger Sologitarre ('The Warm Glow') ist dem Trio ein Album mit dem Potenzial gelungen, über Genre-Grenzen und Konventionen hinaus Gehör zu finden, während sich alteingesessene Fans ein drittes Bein vor Freude über die ergreifenden Qualitäten dieser Musik freuen dürfen. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/7e1949cff23142a8988e909e5c0a3f1b" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.08.2018
Pelagic / Cargo
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03.08.2018