Hätten ANTI-FLAG die drei Coverversionen auf dieser Sammlung (fast) rein akustisch dargebotener Songs aus ihrem Repertoire weggelassen, wäre "American Reckoning" eine gute EP geworden; mit den Nummern aus fremder Feder ist die Scheibe zwar kein Ärgernis, macht aber einen weniger runden Eindruck, als sie es andernfalls tun könnte.
Nicht dass die Stücke unglücklich gewählt - im Gegenteil, es hätten ja schließlich auch 'Imagine' und 'Son Of A Preacherman' sein können - oder dürftig neu interpretiert worden wären, doch die Vorzeige-Punks haben genug eigene Stücke in der Hinterhand, die geradezu danach schreien, sozusagen am Lagerfeuer performt zu werden.
Unabhängig davon gibt es bekanntlich so einige in die Jahre gekommene Punk-Bands oder Einzelkünstler, die "weich" geworden und auf dem Singer-Songwriter-Trip sind. Bei ANTI-FLAG hört sich ein Akustikprojekt allerdings weniger nach geläuterten, klugscheißernden und gewollt tiefsinnigen Ex-Rebellen an, sondern weist den gleichen aufmüpfigen Biss auf wie ihre offiziellen Studioalben. Das liegt auch daran, dass die Mitglieder die dargebotenen Stücke nicht großartig umarrangiert haben, sondern eben einfach nur unverzerrt bzw. mit Westerngitarren und (falls überhaupt) dezenter rhythmischer Begleitung spielen.
Zudem ist und bleibt Justin Sane einer der charismatischsten Frontleute der Szene und wirkt in diesem "ruhigen" Kontext vielleicht sogar noch glaubwürdiger, herzlicher als dann, wenn er gegen aufgedrehte Amps und Drums anschreien muss. Und seine pfiffigen Texte … ja, die kommen auf "American Reckoning" erst recht kämpferischen Fanalen gleich.
FAZIT: Eine kompakte "unplugged"-EP mit drei soliden Cover-Bonustracks, länger braucht ein solcher Release gerade aus dem Punk-Milieu nicht zu sein, und ANTI-FLAG belegen mit "American Reckoning" noch einmal, warum sie zu Recht eine der erfolgreichsten Bands in diesem Bereich sind, ohne ihre Authentizität eingebüßt zu haben. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/dc0c6298b12843b6b9a24ec3184c34b3" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.10.2018
Spinefarm / Universal
30:53
05.10.2018