Es gibt richtig gute Nachrichten von CYNTHIA NICKSCHAS!
Zumindest aus musikalischer Sicht, denn sie hat sich tatsächlich emanzipiert, ist nicht nur textlich und stimmlich um Längen reifer geworden und klingt <a href="https://www.youtube.com/watch?v=nPqMKq5w9JI" rel="nofollow">auf ihrem neuen Album</a> nicht mehr nach dem kleinen Anhängsel eines KONSTANTIN WECKER, in dessen Verlag Sturm & Klang sie ihr erstes, schrecklich unausgegorenes, noch so pubertär klingendes Album „Kopfregal“ veröffentlichte und bei dessen Konzerten sie immer wieder mit auftrat. Der große Herr und Meister mit der kleinen, auf frech getrimmten Liedermacherin – das engt unweigerlich ein, auch wenn es Aufmerksamkeit bringt. Eigenständigkeit aber und den Mut seine eigenes Ding durchzuziehen blieben dabei auf der Strecke.
Doch nun zu <a href="https://www.youtube.com/watch?v=sC1ObKtn5wg" rel="nofollow">„Egoschwein“</a>, bei dem der Titel schon ankündigt, wohin sich CYNTHIA NICKSCHAS bewegt: „Und wenn ihr nicht mitgeht, mach ich‘s allein! / Sorry, Leute, da bin ich ein Egoschwein! / Manchmal muss man sich selbst der Nächste sein, / Sonst fällt es schwer dem Herzen treu zu bleiben...“
Ihr Ego, ihr Können, diese Stimme, mit der sie auf „Alles gleich Mensch“ sogar mal eine Trompete intoniert, und eine Band, die es absolut draufhat, noch dazu mit Violine und Saxophon den mitunter sehr provokanten Texten mal eine gehörige Prise Folk, gar etwas Klezmer und noch dazu Bar-Jazz einhaucht, dass es eine wahre Freude ist der singenden Gitarristin, die plötzlich so eine leicht verr(a)uchte, echt sexy wirkende (Bitte nicht falsch verstehen und auf den üblen Kritiker-Sexisten eindrischen, der unter „sexy“ eben erotisch und anziehend – aber nichts Abwertendes – versteht!), leidenschaftliche Stimme besitzt, zuzuhören.
Frechheit siegt mitunter auf „Egoschwein“, „In Reihe bleiben“ gilt nicht für Cynthia, die dann sogar nach einer NINA HAGEN klingen kann oder rein stimmlich einer PE WERNER, aber nicht nach deren Bauchkribbeln („Krieg kalte Füße / Bei dem Kribbeln im Bauch...“), das wäre für die Nickschas nunmehr offensichtlich zu banal, denn für sie zählt der Anspruch an ihre Musik und Texte, die mehr als ein „Ich liebe dich“ oder banal daherkommende „Ich bin dagegen“-Kritiken verbreiten. Genau das macht sie gleich auf dem ersten Song des Albums, <a href="https://www.youtube.com/watch?v=xjU45gMixVc" rel="nofollow">„Musik“</a>, unmissverständlich klar: „Musik ist meine Ruhe und Zuflucht! / Ob ich wirklich weiß, was ich da tu, / Ist mir egal, ich krieg‘ nicht genug!“
Sie ist einfach nicht wiederzuerkennen, weil sie so unglaublich gereift, aber trotzdem rotzfrech klingt, kein Blatt vor den Mund nimmt, damit diejenigen, die ein kleinbürgerliches Brett vorm Kopf haben, so lange ihr Fett wegbekommen, bis es herunterrutscht: „Wenn‘s dir richtig scheiße geht, / Guck‘ mal nach dem Licht. / Denn wenn du dich gar nicht bewegst, / Dann findet es dich nicht! / Und egal, wie viel Geld es regnet, / Wachsen wirst du davon nicht!“ („Es läuft...“)
CYNTHIA NICKSCHAS ist nicht mehr das kleine Liedermacher-Häschen von Weckers Gnaden, sondern ab sofort das, was bereits das Cover-Bild auf ihrer zweiten CD ankündigt: eine gestandene Rock-, Folk-, Blues-, Jazz-Musikerin, die mit ihren großartigen Liedermacher-Texten sowie der großartigen Band, die ihr den Rücken freihält und sie zugleich vorantreibt, einem WOLF MAAHN oder ACHIM REICHEL, aber auch NINA HAGEN, ULLA MEINECKE oder INA DETER deutlich näher steht als all den Weckers, Waders oder Meys.
FAZIT: CYNTHIA NICKSCHAS vollzieht auf ihrem zweiten Album einen grandiosen Wandel, indem sie sich aus dem engen Gerüst des Liedermacher-Daseins befreit, sich dem Rock, Folk, Blues und Jazz samt Saxophon und Violine zuwendet, sogar noch deutlich bessere Texte als zuvor schreibt und mit „Egoschwein“ ein Album veröffentlicht, das in seiner sprachlich-frechen Ungezwungenheit und musikalischen Qualität seinesgleichen sucht.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.08.2018
Christoph Wegener
Cynthia Nickschas, Christian Zerban
Stefan Janzik, Cynthia Nickschas
Olaf Roth
Mario Hühn
Alwin Moser (Violine), Christian Zerban (Saxophon)
Kick The Flame/Brokensilence
56:05
25.05.2018