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Lüül: Fremdenzimmer

Stil: Liedermacher

Cover: Lüül: Fremdenzimmer

Krautrock-Legende und Rundum-Musiker Lutz Graf-Ulbrich alias Lüül (Agitation Free, Ash Ra Tempel, 17 Hippies, Rocktheater Reineke Fuchs) lässt sich derzeit im Zusammenhang mit einer filmischen Aufbereitung der Vita seiner vorübergehenden Liebe Nico durchs Feuiilleton schleifen, wobei er versucht, der breiten Öffentlichkeit sein neues Soloalbum schmackhaft zu machen. Ob es allerdings zu mehr als einem Kritikerliebling avancieren wird, bleibt abzuwarten; fest steht nur, dass auf "Fremdenzimmer" Abwechslung Trumpf ist, nicht zuletzt dank ungewöhnlicher Arrangements.

Aufgrund des konsequenten Verzichtes auf Schlagzeug oder andere Rhythmusspender lässt sich die Scheibe reibungslos auf die Liedermacher-Schiene legen, doch deren Weichen führen Lüül weder ins Milieu der großen Intellektuellen auf diesem Gebiet noch in die Niederungen der mittlerweile größtenteils talentfreien Indie-Folk-Szene nicht nur innerhalb Deutschlands. Streicher, Akkordeon oder Theremin machen die Songs jeweils zu Kleinkunstwerken ohne stereotype Soundästhetik, und in gleicher Weise unverkennbar klingt auch die im besten Sinn vom Leben gezeichnete Gesangsstimme.

Mit dem Chanson 'Leben ist gut' wagt Lüül eine Relativierung der harten Realität dieser Tage, wohingegen 'Einfach so' mehr oder weniger schwere Folgen von Eskapismus erörtert. Bekanntlich hat alles zwei Seiten, und die kennt der Mann nach all den Jahren hinlänglich, was seine Beobachtungen umso differenzierter macht. Einzig 'Menschvermesser' ist eine etwas zu simple, wenn auch gewitzt formulierte Kritik am Internet und Big-Data-Zeitgeist, 'Schnauze voll' inhaltlich ebenfalls arg plakativ und in seinem Zorn wenigstens kontrolliert.

FAZIT: Lüüls späte wie altersweise, aber nicht altkluge Sternstunde - Im Kanon seines in immerhin seit gut drei Jahrzehnte angehäuften Solorepertoires nimmt "Fremdenzimmer" insofern eine Ausnahmestellung ein, als Rock zur Nebensache geworden ist und die Freude am Sprachspiel im Vordergrund steht, während es instrumental nicht bunter zugehen sollte. Das Händchen des Künstlers für einfach stimmige Lieder im traditionellen Sinn macht das Album endgültig zu einem Highlight des nationalen Popbetriebs. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/9229199c1ada4f10b42685afdeaadf15" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.08.2018

Tracklist

  1. Nächte und Träume
  2. Fräulein C.
  3. Gut zu wissen
  4. Menschvermesser
  5. Leben ist gut
  6. Dumm gelaufen
  7. Wankelmut
  8. Dreier
  9. Hohe Wellen
  10. Einfach so
  11. Party People
  12. Schnauze voll
  13. Schwarz war die See

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    MiG / Indigo

  • Spieldauer

    45:42

  • Erscheinungsdatum

    03.08.2018

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