Das Leben ist grausam, nicht wahr? Also hinein in die Eskapismus-Wolke, im tränenreichen Dunst die potentielle Bedeutung potenzierend… Aber so sind die ja gar nicht. Die, das ist das Pariser Quartett MIA VITA VIOLENTA, die sich nach zwei EPs nun ans Albumformat trauen – wobei das, was zwischen Pro- („Expand“) und Epilog („Submerge“) übrigbleibt, eigentlich auch nur EP-Länge besitzt. Die Tatsache, dass sich unter den Mitgliedern von MVV auch solche der Noise-Rocker ENOB befinden, mag mit der Grund sein, warum sich die Band bevorzugt unter- statt über den Wolken aufhält, warum sie zwar auf Atmosphäre Wert legt, aber eine gewisse Handfestigkeit nie aufgibt.
Das Songwriting hat durchaus einiges – über Laut-leise-Kontraste hinaus – zu bieten, worauf MVV immer wieder zurückkommen, sind Passagen, bestimmt von farbig rollenden Riffs, wohingegen man in leiseren Gefilden oft auf halb sinistre, halb einlullende Inszenierungen mit post-punkig präsentem Bassspiel stößt.
Ein Höhepunkt des Album ist „Rise“, das seinen nicht unähnlichen Vorgänger „Shape“ durch ein Mehr an Länge, Abwechslung und Intensität in den Schatten stellt.
Am wenigsten überzeugend: Der Gesang. Auch-Gitarrist Romain Saccoccio bewegt sich zwischen Sprech-, leicht schrägem Klar- und nicht gerade kraftstrotzendem Schreigesang. Doch nicht diese Varietät ist es, was seinen Vortrag zweifelhaft macht. Vielmehr scheint er sich nicht so recht zwischen ironischer Distanz, wie für Noise-Rock nicht ungewöhnlich, und Emphase zurechtzufinden und stellt seine Darbietung dadurch mehr als einmal selbst in Frage. Schade, zumal die Band die musikalische Spannung, die z.B. zwischen dem zumeist melancholisch-ruhigen Titelstück und „Bipola“, dem krachig-neurotischen Ausfall des Albums, liegt, mit Leichtigkeit aushält.
FAZIT: Alles in allem also interessante, dichte, sich nicht in Attitüde suhlende Gitarrenmusik, die sich dem Genre Post-Rock mit frischer, unverdrossener Entschlossenheit nähert und kraftvolle Ergebnisse zeitigt.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.08.2018
Hugo Lefebvre
Romain Saccoccio, Paul Deligny
Romain Saccoccio, Paul Deligny
Corentin Sarkadi
Atypeek Music
31:42
03.05.2017