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Rotting Christ: Under Our Black Cult

Stil: Black / Death Metal

Cover: Rotting Christ: Under Our Black Cult

Anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens lässt Griechenlands erfolgreichste Metal-Band die Hosen runter. ROTTING CHRIST legen mit dieser fünf CDs starken Vollbedienung ihre (fast) ältesten Wurzeln frei und zeichnen ihren Werdegang bis Mitte der 1990er nach, wobei selbst Komplettisten, die schon alles von der Band zu haben glauben, auf ihre Kosten kommen. "Under Our Black Cult" enhält zudem ein lesenswertes Buch (72 Seiten) mit der Historie des Kerntrios von Dayal Patterson (Autor von u.a. "Evolution of the Cult") und zahlreichen O-Tönen von Zeitgenossen der Mitglieder, alles hübsch verpackt und mit einem geschmackvollen Artwork versehen. Viel Krach und Wörter fürs Geld? Darauf könnt ihr wetten …

ROTTING CHRIST hatten, wie die meisten Interessierten wissen dürften, sehr bescheidene Anfänge als stumpfe Grindcore-Kapelle, wie die ersten acht Tracks der Zusammenstellung belegen, die von der Kassette "The Other Side of Life" von 1989 stammen; nicht nur die Klangqualität ist hier grottig, sondern auch der musikalische Gehalt der jeweils kaum eine Minute dauernden "Songs". "Leprosy Of Death" (1988) wird ebenso wie dessen Nachfolge-Demo "Deline's Return" von 1989 außen vorgelassen, was zweifellos auch gut so ist.

Die vier sich anschließenden Proberaumaufnahmen weisen eine deutliche Weiterentwicklung auf: ROTTING CHRIST experimentieren mit zähem Death Metal, was man womöglich als Vorausdeutung auf ihre später charakteristische Midtempo-Epik ansehen kann. "De Vermis Mysteriis", so der Titel dieser Tracks inklusive Outro, macht einen kontrollierteren Eindruck (auch wenn es noch nicht essenziell ist) und ging dem nunmehr legendären Demo "Satanas Te Deum" (ebenfalls 1989) voraus, das den eigentlichen Karrierebeginn der Griechen markierte.

Hier offenbart sich in Ansätzen, was ROTTING CHRIST für alle Zeiten ausmachen sollte - eine atmosphärische Note ungeachtet des jeweiligen stilistischen Schwerpunktes, denn schließlich darf man nicht vergessen, dass sich Sakis Tolis und Co. einstweilen auf nicht immer überzeugende Art in Gothic-Metal-Gefilden herumgetrieben haben. Davon ist das Demo, das international Aufsehen erregte, in seiner kriegerischen Anmutung weit entfernt; die Riffs sind simpel, die Gruppe verhebt sich nicht an Einfällen, die sie sowieso nicht umsetzen könnte, und spekuliert auf die geradezu penetrante Zudringlichkeit des Materials.

Der Underground-Erfolg gibt ihr Recht. 'Feast Of The Grand Whore', dem man auf diesen fünf CDs wie auch einigen anderen Stücken logischerweise mehrmals begegnet, findet sich auch auf einer Seite einer Split-Single mit den Italienern Monumentum (auf dem Label Obscure Plasma, viel Spaß beim Suchen des Originals) und ist in dieser Fassung die ultimativ. Von den jeweils zwei Stücken der Kassette "Ade's Winds" und EP "Dawn Of The Iconoclast" (beide 1992) bleibt insbesondere das enorm stimmungsvolle 'The Nereid of Esgalduin' als für die gesamte Diskografie der Hellenen überragende Nummer im Gedächtnis. Im Folgejahr erschien dann das Siebenzoll-Vinyl "Apokathelosis" (nein, es ist kein Drumcomputer, sondern ein E-Schlagzeugkit), das ROTTING CHRIST endgültig im vorderen Drittel der europäischen Extrem-Metal-Bewegung platzierte.

Auf der Drei-Song-"Promo 1995" schließlich, die der Band ihren Vertrag mit Century Media einbrachte, zeigte sie sich klanglich nahezu völlig erneuert. Melodische Leadgitarren werden zu einem Hauptmerkmal und stellen die Weichen für das heute ebenfalls als Klassiker geltende Album "The Triarchy Of The Lost Lovers", dem sich dann die "Out Of The Dark"-Festivaltournee durch Europa anschloss.

Den Abschluss dieser klug, weil für die frühe Entwicklung der Band nachvollziehbar strukturierten Retrospektive bilden je 14 und vier in den Jahren 2000 bzw. 1993 mitgeschnittene Live-Songs, wobei erstere ein nostalgisches Konzert dokumentiert, das jegliche "Zärteleien" aus der Zeit kurz davor (etwa "A Dead Poem" von 1997, für sich genommen wohlgemerkt eine sehr gute Scheibe) aussparte.

Das Set enthält ferner die gesamte "Passage To Arcturo"-EP, ausgehend von 'The Old Coffin Spirit' mit dem Intro 'Ach Golgatha' über das stampfende, Keyboard-lastige 'The Forest Of N`Gai' bis zum sechsminütigen Mini-Epos "Inside The Eye Of Algond" - eine Veröffentlichung, deren Material sich hervorragend gehalten hat, sprich zeitlos geworden ist, sowie die komplette "Non Serviam"-LP, ursprünglich 1994 beim zwielichtigen wie kultigen Label Unisound erschienen, ein meisterhaftes Zeugnis des frühen Zweitwellen-Black-Metal aus Nicht-Skandinavien.

Im Übrigen handelte es sich bei den Weggefährten der Tholis Brüder (neben Sakis respektive Necormayhem Schlagzeuger Themis alias Necrosauron) in der Frühphase der Band um den Bassisten Dmitris Patsouris (Mutilator) und einstweilen auch Magus Wampyr Daoloth von Thou Art Lord bzw. Necromantia. Die Besetzung blieb bis in die zweite Hälfte der 1990er relativ fest, ehe erste einschneidende personelle Veränderungen vermutlich auch die stilistischen bedingten. Mittlerweile fahren ROTTING CHRIST bekanntlich wieder eine einheitliche Linie und sind zweifellos so gut wie nie zuvor.

FAZIT: Für Chronisten des (europäischen) Black Metal ist "Under Our Black Cult" eine zwingend notwendige Anschaffung. Abgesehen davon, dass sich ROTTING CHRIST tief in die Karten schauen lassen, gibt insbesondere das begleitende Buch Eindrücke einer unvergleichlichen Zeit wider, die über den Horizont der Band hinausreichen, wohingegen die Musik selbst das Klima und die Entwicklung eines nunmehr etablierten Stils in jenen Jahren nicht anschaulicher nachzeichnen könnte. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/2bdb63d6d22147d78c57b63918632e4d" width="1" height="1" alt="">

Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.08.2018

Tracklist

  1. Slaughter Of The Innocents
  2. Asthmatic Apoplexy
  3. Lost In The Void
  4. Thyrotoxicosis
  5. Animal Revenge
  6. Mentally Disordered
  7. Myxomycetes Attack
  8. Neyroparalia
  9. Artificial Hypertrophy
  10. Intro - Holiness Lamentation
  11. Feast Of The Grand Whore
  12. Fortress Of Cremation
  13. De Vermis Mysteriis
  14. Outro
  15. Hills Of The Crucifixion
  16. Feast Of The Grand Whore
  17. The Nereid of Esgalduin
  18. Restoration Of The Infernal Kingdom
  19. The Sixth Communion
  20. Fgmenth, Thy Gift
  21. The Fourth Knight Of Revelation
  22. Snowing Still
  23. One With The Forest
  24. The Opposite Bank
  25. The Old Coffin Spirit
  26. The Forest Of N`Gai
  27. The Mystical Meeting
  28. Gloria De Domino Inferni
  29. Inside The Eye Of Algond
  30. Feast Of The Grand Whore
  31. The Nereid Of Esgalduin
  32. Vicious Joy And Black Delight
  33. The Sign Of Evil Existance
  34. Transform All Suffering Into Plagues
  35. Fgmenth, Thy Gift
  36. His Sleeping Majesty
  37. Exiled Archangels
  38. Dive The Deepest Abyss
  39. The Coronation Of The Serpent
  40. The Fourth Knight Of Revelation
  41. Visions Of The Dead Lovers
  42. The Mystical Meeting
  43. The Fifth Illusion
  44. Where Mortals Have No Pride
  45. Wolfera The Chacal
  46. Fethroesforia
  47. Non Serviam
  48. Mephesis Of Black Crystal
  49. Morality Of A Dark Age
  50. Ice Shaped God
  51. Saturn Unlock Avey`s Son
  52. The Sign Of Evil Existence
  53. Transform All Suffering Into Plague
  54. The Fourth Knight Of Revelation
  55. Coronation Of The Serpent
  56. Fgmenth, Thy Gift
  57. Ach Golgotha (The Small One On The Cross)
  58. The Old Coffin Spirit
  59. The Mystical Meeting
  60. The Forest Of N'Gai
  61. Morality Of A Dark Age
  62. Feast Of The Grand Whore
  63. Saturn Unlock Avey's Son
  64. Wolfera The Chakal
  65. Exiled Archangels
  66. Feast Of The Grand Whore
  67. The Forest of N'Gai
  68. Visions Of The Dead Lovers
  69. The Mystical Meeting

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Peaceville

  • Spieldauer

    76:36 + 47:53 + 47:05 + 34:38 + 53:17

  • Erscheinungsdatum

    13.07.2018

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