Was macht man am Tag nach einem denkwürdigen SHAKRA-Konzert? Richtig, man nimmt sich direkt die nächste Schweizer Rockband zur Brust. Gesagt – getan.
Im Player dreht sich der zweite Longplayer „The Stories We Tell“ der nach dem Abgang des Frontmanns Jack (ersetzt durch Paul Baron) und des Bassisten Benjamin zum Trio geschrumpften Schweizer Band STEELMADE, die der durch Acts wie KROKUS, GOTTHARD und eben SHAKRA gelegten Fährte des Ruhms folgen wollen. Das sollte doch gelingen, denn gemeinhin vermutet man hinter Schweizer Erzeugnissen stets Qualitätsprodukte, seien es Uhren, Käsespezialitäten oder eben Rockbands. Nun, Steelmade sind eine Schweizer Rockband mit alternativem Touch und ein Qualitätsprodukt, bei dem man Abstriche in Kauf nehmen muss.
Äußerst positiv fällt die satte Produktion mit Naturschlagzeug und fettem Bass- bzw. Gitarrensound auf. Hier wurde geklotzt, was sich positiv auf „The Stories We Tell“ bemerkbar macht. An anderer Stelle schmerzen Textzeilen in den Ohren, die an Plattheit schwer zu überbieten sind. Highlight in negativer Hinsicht ist bezeichnender Weise „Stupidity“ und man fragt sich unwillkürlich, ob die Jungs nicht besser beraten gewesen wären, jemanden zu fragen, der sich mit so was auskennt, um diesen einmal mit ihren textlichen Ergüssen zu konfrontieren, bevor man die Sülze in Vinyl presst. Laut Webpräsenz handelt es sich auf „The Stories We Tell“ um „tiefgründige Texte über den täglichen Kampf und die Vergänglichkeit des Lebens.“ Kostprobe gefällig? „The f**cking dick just gave me a finger - you want a piece of me, hä?“...“You must be kiddin´, are you out of your f**cking mind?“
Paul Baron, dessen stimmliche Range auf eine Oktave beschränkt scheint, erinnert in seiner Art zu singen eher an Brad Roberts von den CRASH TEST DUMMIES auf „Hm Hm Hm Hm“ als an einen Rocksänger. Hinzu kommt der teilweise mehr als gewöhnungsbedürftige Akzent, schafft er es doch tatsächlich unter anderem das Wörtchen „remember“ auf einem „ö“ enden zu lassen - erstaunlich.
Neben aller Kritik gibt es aber auch gute Songs, die deutlich in Richtung Alternative Rock gehen und im Ohr bleiben wie „The Stories We Tell“, bei dem GREEN DAY Pate gestanden haben oder „Ashes Over Waters“, das vertonte Testament der Combo. Damit dieser fast schon visionäre Titel nicht schon in kürzester Zeit Realität wird und die Asche des STEELMADE-Projekts über den Schweizer Alpen verklappt werden muss, bedarf es einer deutlichen Steigerung.
Stärkster Moment des Albums ist „We Are Bizarre“, eine Neuauflage des schon auf dem Debütalbum erschienenen Titels, der völlig aus der Reihe tanzt, denn hier klingt die Band tatsächlich mehr nach Pop denn Rock, richtig erfrischend und deutet eventuell in die Richtung, in die sich STEELMADE zukünftig entwickeln sollte.
FAZIT: STEELMADE sind mit ihrem zweiten Album „The Stories We Tell“ etwas von der Fährte des Ruhms abgekommen, die sie eventuell etwas zu verkniffen ins Auge gefasst hatten. Mehr Experimentierfreude wie im Highlight „We Are Bizarre“ stünde den Eidgenossen gut zu Gesicht und würde mehr Aussicht auf Erfolg versprechen. Die Fußstapfen, die bekannte Schweizer Rockacts hinterlassen haben, sind eindeutig zu groß für das Trio, denn STEELMADE ist leider nicht das neue „Zugpferd der Schweizer Rockwelt“, bestenfalls ein One-Trick Pony.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.04.2018
Paul Baron
Jadro
Joe Williams
Fastball Music
47:31
30.03.2018