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Exhorder: Mourn The Southern Skies

Stil: Thrash Metal

Cover: Exhorder: Mourn The Southern Skies

Wenn eine Kultband nach langer Auszeit ein neues Album vorlegt, sind die Hoffnungen und Erwartungen der Fans meist groß und ziemlich klar definiert. So sehr, dass die Musiker gut daran tun, sich nicht darum zu scheren.

Schließlich kommt Fanservice in Form halbgarer Kompromisse oder Abklatsche früherer Erfolgsrezepte (Forbidden, Carcass) der Erfahrung nach meist eher uninspiriert rüber. Wird der persönlichen und musikalischen Entwicklung dagegen Rechnung getragen und der aufgestauten Kreativität der Jahre erlaubt, zu fließen (ähnlich intuitiv und unkalkuliert dürften die Klassiker schließlich auch entstanden sein), verprellt man vielleicht den konservativeren Teil der Fangemeinde, offenbart dafür aber oftmals wahre Feuerwerke der Inspiration (Cynic, Transport League, Kenn Nardi).

Da Exhorder schon immer nur das getan haben, worauf sie Bock hatten, lag die Vermutung nahe, dass sie auch weiterhin so verfahren. Und richtig: Statt „Slaughter In The Vatican“ noch einmal aufzunehmen oder einen müden Zwitter mit „The Law“ zu versuchen, gibt es zwar einhundert Prozent Exhorder, aber in einer in jeder Hinsicht elaborierten Version. Das hat mehrheitlich Vor-, aber auch kleine Nachteile, dazu später mehr.

Die Stärken der Band beginnen am Mikro. Kyle Thomas hat sich auf den beiden bisherigen Exhorder Scheiben nicht nur als einer der fiesesten Shouter des Thrash einen Namen gemacht, sondern danach auch mit exzellenten Gesangsleistungen bei Floodgate, Alabama Thunderpussy oder Trouble geglänzt. Auf „Mourn The Southern Skies“ bringt er nun beides zusammen. Er brüllt mit wunderbar warmem Timbre und dem Volumen einer ausgebildeten Stimme, legt dabei eine der Musik angemessene Aggression an den Tag, verliert aber nie den Klang seines Organs aus den Augen. So verbleibt immer eine grundlegende, wenn auch rohe und subtextuelle Melodik in den Gesangslinien, und das auf einem technischen Niveau, das die wenigsten Metal Sänger erreichen. Wer damit nicht direkt etwas anzufangen weiß, möge sich das Video zum rasenden Riffmassaker „My Time“ zu Gemüte führen. Dessen Gesangslinien besitzen wohl weniger ausgefeilte Melodiebögen als die gemäßigteren Betätigungsfelder des Sängers, aber dennoch klar vorhandene.

Auch am sowohl als Riffmeister wie als Solist gern unterschätzten Vinnie LaBella kann man sich als Thrasher schwerlich satt hören. Sein Rhythmusspiel ist so schnell und technisch wie man es von Thrash Metal erwartet und schätzt, dabei im Detail unglaublich kreativ und vergleichsweise beseelter als bei Genrekollegen. Gemeint ist hier die der NOLA-Szene eigene Art, Töne miteinander zu verbinden, welche unterschiedlichste Bands wie Crowbar, Acid Bath oder Soilent Green geographisch einwandfrei verortbar macht. Zwar muss man im Exhorder-Stakkato-Gewitter etwas genauer hinhören, doch dieser spezielle Sinn für Melodik findet sich auch hier.

Dass mit Marzi Montazeri (ex-Phil Anselmo & The Illegals/Superjoint Ritual), Jason VieBrooks (Heathen, ex-Grip Inc.) und Sasha Horn (Forbidden, Heathen) erstklassige Musiker und gestandene Profis die Band komplettieren, verstärkt den selbstbewusst souveränen Eindruck, den das Album macht und legt nahe, dass die Truppe es wirklich nochmal wissen will.

Stilistisch finden sich insofern Querverweise auf die ersten Alben, als ein Mix aus Höchstgeschwindigkeit und Groove nach wie vor bestimmender Faktor ist. Wie bereits erwähnt, klingt das am Ende klar nach Exhorder, kommt aber doch ganz anders rüber als 1990 respektive 1992. Mehr Wucht, mehr Hooks, mehr Virtuosität an jedem Instrument, schlicht eine deutlich gesteigerte Musikalität zeichnen die zehn Stücke aus. Dabei besteht zu keiner Sekunde die Gefahr gepflegter Langeweile, im Gegenteil. In Sachen Energie bleibt die Scheibe nichts schuldig. Ob die ebenso melodiös wie knallhart groovenden „Asunder“ (Killer Gesangslinien) und „Yesterday’s Bones“ (Wahnsinns Solosektion), Knüppel-aus-dem-Sack-Geprügel wie „Beware The Wolf“ oder die ultrabrutale Neuauflage des Demo-Songs „Ripping Flesh“ (mit Original-Schlagzeuger Chris Nail) – auf „Mourn The Southern Skies“ gelingt der Truppe so ziemlich alles. Das am Ende stehende Titelstück schließlich unterstreicht noch einmal die Reichweite der Musiker, hätte der neuneinhalbminütige Southern Metal Song doch auf keinem der beiden Vorgänger existieren können (auf Floodgates „Penalty“ wäre er noch am wenigsten aus dem Rahmen gefallen). Dieser Song ist gleichwohl der einzige, der erkennen lässt, ob er aus bis zu 27 Jahre altem Archivmaterial stammt, irgendwann in der Zwischenzeit entstanden oder brandneu ist. Dass die Scheibe nämlich einen solchen Mix darstellt, ist ansonsten nicht auszumachen. Hier ist alles aus einem Guss, greift logisch ineinander.

Auf der künstlerischen Seite kann man sich als Fan also kaum mehr wünschen als eine solch stimmige Entwicklung, abgeliefert in kompositorischer Bestform.

Die angedeuteten Nachteile beziehen sich auf den zwar fetten und auch nicht übermäßig totproduzierten, aber doch in seiner Glätte und Harmlosigkeit zeitgemäß charakterlosen Sound. Hier hätte man sich ähnlich viel Mut und „Fuck You“ seitens der Band gewünscht, doch eigenen Aussagen zufolge wollte man es so haben, wie es jetzt ist. Vermutlich sind die Zeiten von Produktionen, die zwar unharmonisch, aber dadurch auch einzigartig und mit Persönlichkeit ausgestattet sind, unwiederbringlich vorbei. So ein geil fieses Sägen der Gitarren wie auf „The Law“ würde zum Beispiel noch eine Schippe Radikalität drauflegen, derartiges wird aber von der übertriebenen Ausgewogenheit der Produktion im Keim erstickt. Schade.

FAZIT: Zusammen mit Xentrix und Sacred Reich gelingt Exhorder das Triple der hervorragend gelungenen Thrash-Opa-Rückkehren des Jahres, das neben der musikalischen Klasse dieser Bands quasi im Vorbeigehen dokumentiert, wie künstlerisch armselig das Gros aktueller Kapellen ist, die Look und Stilelemente (und gerne deren blödeste Ausprägungen) kopieren, aber in künstlerischer Hinsicht nichts zu sagen haben. In diesem Sinne: Besorgt euch den guten Stoff!

Punkte: 14/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.09.2019

Tracklist

  1. My Time
  2. Asunder
  3. Hallowed Sound
  4. Beware The Wolf
  5. Yesterday’s Bones
  6. All She Wrote
  7. Rumination
  8. The Arms Of Man
  9. Ripping Flesh
  10. Mourn The Southern Skies

Besetzung

  • Bass

    Jason VieBrooks

  • Gesang

    Kyle Thomas

  • Gitarre

    Vinnie LaBella, Marzi Montazeri

  • Schlagzeug

    Sasha Horn, Chris Nail

Sonstiges

  • Label

    Nuclear Blast

  • Spieldauer

    52:58

  • Erscheinungsdatum

    20.09.2019

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