Die Ursprünge einzelner Songs auf „No Man’s Tale“ reichen zurück bis 1987. Das merkt man. Legt man die CD direkt im Anschluss an einen Hördurchgang mit „Fountain Of Wisdom“ auf, MIRRORs Veröffentlichung aus dem Jahr 1990, entsteht der Eindruck dem zweiten Part eines Doppelalbums zu lauschen. Das erinnert mächtig an Zeiten, in denen der Progressive Rock weitgehend unter dem Radar rangierte, sich das Music Is Intelligence-Label (aka WMMS) zwar rührig, aber qualitativ eher minder ausgestattet zeigte, und Bands wie DEYSS oder QUASAR sich als Wiederaufbereiter vergorenen Materials betätigten.
Ganz so schlimm ist es mit MIRROR nicht, die ihr leicht hüftsteifes Material aus schleppenden, meist elegischen Gitarrenparts, voluminösen und gleichzeitig schwerfälligen Tastensounds immerhin charmant präsentieren. Bass und Drums tun viel dafür, dass sie nicht unbemerkt bleiben. Es holtert und poltert mit Wonne. Das wird alles mit rührender Ernsthaftigkeit vorgetragen, der man einfach nicht böse sein kann. Gilt auch für die so schlichten wie prätentiösen Texte um einen sinnsuchenden Protagonisten in aufgewühlten Zeiten. Sänger Uwe Kitza liefert dabei – inklusive einiger liebenswürdiger Germanismen – einen sehr ordentlichen Job ab.
Über allem wacht Mutter JANE mit müden Augen, ELOY könnten MIRROR im Vorprogramm unterbringen und PINK FLOYD werden anerkennend im Übungsmodus hofiert („When Silence Turns To Thunder“). „Not To Late“ hat gar ein gewisses GROBSCHNITT-schleichen-durch-Rockpommel’s Land-Flair. Derartige Reminiszenzen finden sich häufiger und werten das Album auf. Doch um es komplett zu goutieren, muss man viel Verständnis für Herz, Schmerz und vergangene Zeiten mitbringen.
FAZIT: Die WAZ empfiehlt „No Man’s Tale“ dem mutigen „Prog-Rock-Einsteiger“. Da ist was dran, wenn der oder die Anvisierte einen nostalgischen Blick zurückwerfen möchte, auf eine Zeit als derartige Musik eher verächtlich unter der Bezeichnung „Krautrock“ subsumiert wurde. Das heißt, eigentlich schauen wir auf die spätere Phase, als sich viele ehemals verdiente Prog-Bands an der Neuen Deutsche Welle bereits totgesurft hatten und umständlich wieder dort angesetzt wurde, wo man sich n den späten Siebzigern verloren hatte.
Leider wurden die Schwächen (vorgebliche Bedeutungsschwere, verschleppte Rhythmen, pathetische Gitarren- und Keyboardklänge) mitadaptiert. Das ist bei MIRROR in seinem redlichen Bemühen auf bescheidene Art durchaus ergreifend. Aber wie soll diese Musik bestehen, wenn man zum Einstieg wesentlich elegantere und formvollendetere Bands wie BIG BIG TRAIN, FREEDOM TO GLIDE oder IAMTHEMORNING haben kann?
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.06.2019
Günter Köhler
Uwe Kitza
Stefan Bugal
Roland Weidenheimer
Michael Flynn Filipiak
Uwe Kitza (percussion)
Mirror/Just For Kicks Music
42:28
03.05.2019