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Stoppok: Live At Rockpalast 1990 & 1997

Stil: Deutschrock zwischen Liedermacher und Punk

Cover: Stoppok: Live At Rockpalast 1990 & 1997

<b>„Mein großes Glück war es, keinen Hit zu haben. Früher habe ich damit kokettiert – heute stimmt es einfach. Denn so kommen die Menschen wegen mir.“</b> (STOPPOK)

Wenn man heutzutage den Namen STOPPOK hört, dann sagt man als halbwegs veranlagter Deutschrock-Freund: „Ja, kenn' ich. Aber in der oberen Liga spielt der nicht. Mittelklasse. Keinen Hit. Dafür aber eine etwas nölige Stimme und Texte, die ein wenig von der Aura her an WOLF MAAHN erinnern.“

Da verwundert es fast ein wenig, dass <a href="https://rockpalastarchiv.de/dvd/stoppok.html" target="_blank" rel="nofollow">STOPPOK mit zwei Auftritten beim Rockpalast</a> vertreten war, die nun dank MIG Music auf zwei CD's und einer DVD im fetten Digipak samt achtseitigen Booklet verewigt sind.

Der erste Auftritt am 6. September 1990 in der Kölner Live Music Hall beginnt mit Gitarren-Problemen und lässt, vielleicht auch durch die vielen, manchmal etwas zu selbstverliebten, ironischen Ansagen keine wirkliche Begeisterung aufkommen. Der Funke zwischen dem Musiker, der als Straßenmusiker angefangen hat und sich auch auf der Rockpalast-Bühne stellenweise so gibt, und Publikum springt nicht wirklich über, auch die Ansagen erscheinen gezwungen lustig, ohne beim Publikum nachhaltige Wirkung zu hinterlassen. Da kann sich die Band an zusätzlicher Gitarre, Schlagzeug, Bass und Keyboard so sehr anstrengen, wie sie will, diese schnoddrige Art von Stefan Stoppok, dem „Ruhrpott-Poeten“, ist nicht der Kracher. Und so sehr der Chefredakteur des Schall-Musikmagazins sich auch im Booklet vor Begeisterung und Lobhudelei nicht einbekommt und die schönsten (Sprach-)Bilder von STOPPOK zeichnet, das 90er-Konzert spricht seine eigene Sprache. Und die klingt anders als Christian Fischers Laudatio im Booklet.

Highlight des Konzerts sind jedenfalls nicht die Gesänge von STOPPOK, sondern seine Mitmusiker, die schönen Gitarren-Soli, das passgenaue Keyboardspiel, das bei einem der schönsten Titel, „Romeo und Julia“, wie die zweite Stimme zu der von STOPPOK klingt, oder auch deren zurückhaltende Art, die ihren Frontmann auch (nicht immer sympathischen) Frontmann sein lassen.

Ganz anders sieht es bei dem 1997er-Konzert vom 8. Oktober im Kölner E-Werk aus, das nicht eine einzige Songüberschneidung zum 90er-Konzert aufweist.
Selbst wenn beim Rockpalast auf STOPPOKs Gitarren ein Fluch zu liegen scheint, denn diesmal reißt gleich beim ersten Titel die Saite, was er mit Humor nimmt.

Viel wichtiger aber ist, dass im Kölner E-Werk nicht der gute Stefan, sondern seine Band im Mittelpunkt steht und das Konzert wirklich zum Rockpalast passt. STOPPOK kommt hier mit seinen Musikern wie WOLF MAAHN, ACHIM REICHEL oder SPLIFF rüber. Wortwörtlich war nun sein Ego-Zopf ab, ebenso wie der auf seinem Kopf: „Es ist das einzige Konzert, bei dem ich kurze Haare hatte – ein historisches Dokument!“

Auch ist der Einfluss von Danny Dziuk, dem Keyboarder, der zusätzlich aktiv bei den Texten mitwirkte, unverkennbar. Und mit „Dumpfbacke“ ist gar ein Erfolgstitel vertreten – Von Hits darf man bei STOPPOK ja nicht sprechen! – der beim Publikum riesig ankommt und sie ohne Aufforderung lauthals mitsingen lässt.
Mit „Herzlos“ begibt sich die Band samt zwei Mundharmonikas sogar auf Blues-Pfade, während sie sofort darauf mit „Hölle losgeht“ auf hymnische Rockrhythmen abfährt, die als vermeintliche Ballade beginnen: „Die Tatsache, dass hier bald finito ist, erspart uns noch weitere Pleiten!“
Optimismus sieht irgendwie anders aus. Mit „Wetterprophet“ wird dann gleich noch eine weitere, diesmal akustische Ballade hinterhergeschoben, welche an die ruhigen HERWIG MITTEREGGER-Songs erinnern.

Längere Ansagen verkneift sich der Ruhrpott-Musiker gänzlich, selbst wenn er es nicht lassen kann, ein wenig über Köln abzulästern, das an einem Mittwoch (dem Tag des Konzerts) noch trister als an einem Donnerstag (dem Tag des ersten Rockpalast-Konzerts) erscheint. Begeisterung löst er für seine seltsame Ansage-Ironie beim Publikum dafür jedenfalls nicht aus.

Dafür kennt die Begeisterung dann allerdings bei dem flotten „Schwafel nicht“, samt Mini-Gitarren-Solo, und dem fast viertelstündigen „Feine Idee“ keine Grenzen mehr, bei dem alle Bandmitglieder ihr eigenes Solo bekommen. Als Dankeschön darf sich das Publikum beim letzten Stück des Konzerts sogar noch den Finger von STOPPOK auswählen, mit dem er sein Gitarren-Solo spielt. Welcher das ist, wird nicht verraten. Wenn das der Effe wüsste...

FAZIT: Zwei Auftritte in einer Stadt wie Tag und Nacht von STOPPOK im Rockpalast zwischen denen sieben Jahre liegen. 1990 ein durchwachsenes Konzert mit höchstens Straßenmusiker-Charme und 1997 als hochwertiges Rock-Konzert mit bestens aufgelegter Band. Historisch sind die von MIG veröffentlichten Aufnahmen nicht nur wegen den seltenen Live-Aufnahmen um den Ruhrpott-Musiker, sondern auch wegen der beeindruckenden zweiten Performance mit kurzen Haaren aber langen Soli aller Musiker, bei denen STOPPOK mehr auf das musikalische Können von sich und seiner Band als auf seine egozentrischen Ansagen des ersten Konzerts setzt.

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.12.2019

Tracklist

  1. <b>DVD – Konzert vom 6. September 1990 in der Kölner Live Music Hall und vom 8. Oktober 1997 im Kölner E-Werk</b> (145:00):
  2. <b>= Live Music Hall, Köln 06.09.1990 =</b>
  3. Stück für Stück
  4. Confusion
  5. Du brauchst Personal
  6. Der nackte Mann
  7. Ärger Teil zwo
  8. Watt nu
  9. Mir stinkt‘s auch
  10. Romeo und Julia
  11. Zwischen Twen Tours und Seniorenpass
  12. Verstand sei still
  13. Oben hing
  14. Alles nur ein Film
  15. Ich steh an der Bar (A Pub With No Beer)
  16. <b>= E-Werk Köln 08.10.1997 =</b>
  17. Gelandet
  18. Dumpfbacke
  19. So einfach ist das
  20. Wenn du weggehst
  21. Leise
  22. Willie und Gerd
  23. Krank Madame
  24. Herzlos
  25. Hölle losgeht
  26. Wetterprophet
  27. Schwafel nicht
  28. Kebap
  29. Feine Idee
  30. Du brauchst Personal
  31. Kühlschrank
  32. <b>CD 1 – Konzert vom 6. September 1990 in der Kölner Live Music Hall</b> (54:42):
  33. Stück für Stück
  34. Confusion
  35. Du brauchst Personal
  36. Der nackte Mann
  37. Ärger Teil zwo
  38. Watt nu
  39. Mir stinkt‘s auch
  40. Romeo und Julia
  41. Zwischen Twen Tours und Seniorenpass
  42. Verstand sei still
  43. Oben hing
  44. Alles nur ein Film
  45. Ich steh an der Bar (A Pub With No Beer)
  46. <b>CD 2 – Konzert vom 8. Oktober 1997 im Kölner E-Werk</b> (79:25):
  47. Gelandet
  48. Dumpfbacke
  49. So einfach ist das
  50. Wenn du weggehst
  51. Leise
  52. Willie und Gerd
  53. Krank Madame
  54. Herzlos
  55. Hölle losgeht
  56. Wetterprophet
  57. Schwafel nicht
  58. Kebap
  59. Feine Idee
  60. Du brauchst Personal
  61. Kühlschrank

Besetzung

  • Bass

    Peter Kühmstedt, Reggie Worthy

  • Gesang

    Stoppok

  • Gitarre

    Stoppok, Mario Schulz

  • Keys

    Julia Zanke, Danny Dziuk

  • Schlagzeug

    Hans Wallbaum, Achim Grebien

Sonstiges

  • Label

    MIG Music

  • Spieldauer

    CD's – 134:07 / DVD – 145:00

  • Erscheinungsdatum

    18.10.2019

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