Ein weiteres Live-Album von IRON MAIDEN … und wie schön, dass die quintessenzielle Heavy-Metal-Band wieder etwas im Vergleich mit den vorangegangenen Konzert-Nachlesen zumindest halbwegs anderes zu bieten hat - und neue Einsichten, was ihre gegenwärtige Befindlichkeit angeht, gewährt sie ob gewollt oder nicht ebenfalls.
Womit wir gleich die Heilige Kuh wenn nicht schlachten, so doch auf jeden Fall an den Pranger stellen müssen: Bruce Dickinson ist zweifellos ein echter "survivor" (Stichwort Krebs) und ein eindrucksvoller, sich für das universell Gute einsetzender Mensch mit einer Wahnsinns-Gesangsstimme, zeigt sich während der gut 100 zusammengestellten Performance-Minuten jedoch erschreckend kurzatmig. “Nights Of The Dead – Legacy Of The Beast, Live in Mexico City” wurde im September 2019 im Laufe dreier ebendort im Palacio de los Deportes gegebener (ausverkaufter) Konzerte mitgeschnitten und ist nichtsdestoweniger aufgrund des traditionell überschwänglichen lateinamerikanischen Publikums eine in puncto Stimmung sichere Bank.
Während Bruce ganze Refrains dem Publikum überlässt - Gänsehaut wieder mal bei 'Fear of the Dark', auch wenn hier mit merkwürdigem Keyboard-Tröten im Hintergrund versehen - und bei seinen Ansagen eigenartig verschnupft wirkt, besticht die Band mit einer nicht unbedingt alltäglichen Setlist. 2020 haben IRON MAIDEN allein schon für das Hammer-Trio 'Where Eagles Dare', 'Revelations' und 'The Evil That Men Do' einen dicken Stein im Brett, wohingegen die immer wieder grandiosen Blaze-Bayley-Nummern 'The Sign of the Cross' und 'The Clansman' (mit ein paar Timing-Unsauberkeiten im Intro) aufs neue belegen, dass "The X Factor" und "Virtual XI" deutlich besser sind als ihr Ruf.
Dickinsons obligatorisches "scream for me!" darf genauso wenig fehlen wie die Blöße, die sich das Sextett in klanglicher Hinsicht gibt, denn wie bereits angedeutet hat es kein Problem damit, spielerische Unregelmäßigkeiten eben nicht nachträglich im Studio auszubügeln. Die Instrumentalisten strotzen vor Energie, und da passieren solche Patzer selbst den abgefeimtesten Veteranen.
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'For The Greater Good Of God' von "A Matter of Life and Death", einer der besten Tracks aus der Post-2000-Ära der Gruppe, das nervige, aber doch unverwüstliche 'The Wicker Man' und ein besonders hingebungsvoll dargebotenes 'Flight Of Icarus' runden ein amtliches Live-Album ab, wovon IRON MAIDEN einige bessere, aber auch schon viel schlechtere herausgebracht haben.
FAZIT: "Legacy of the Beast, Live in Mexico City" zeigt die Metal-Großmeister IRON MAIDEN in Würde gealtert und entwaffnend authentisch. Als Fan und Chronist ihrer beispiellosen Karriere braucht man das Ding natürlich unbedingt, derweil "Anfänger" weiterhin gut mit "Life After Death" als Einstieg bedient sind. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/166721f09c6e40279ae9523921dc477c" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.11.2020
Steve Harris
Bruce Dickinson, Steve Harris, Adrian Smith
Adrian Smith, Dave Murray, Jannick Gers
Nicko McBrain
Parlophone
101:53
20.11.2020