Keine Frage, John Moreland ist in erster Linie ein Liebling der Kritiker und Feuilletons am Rande des allzu gehetzten, auf Gedeih und Verderb Aufmerksamkeit heischenden Musikbetriebs. Sein sinnig betiteltes fünftes Soloalbum strahlt hingegen wie von ihm gewohnt abermals Seelenruhe aus, was allerdings nicht bedeutet, dass er sich jeglicher Form von Weiterentwicklung widersetzt.
"LP5" entstand immerhin in Kollaboration mit Produzent Matt Pence (u.a. Jason Isbell und The Breeders, spielte auch einen Teil der Schlagzeugspuren ein) und ist somit Morelands erste Veröffentlichung überhaupt, für deren Inszenierung er einen Außenstehenden heranzog. Diese Entscheidung hat seinen neuen Kompositionen hörbar gutgetan. Schließlich war absehbar, dass er mit seinen bislang stets aufs Nötigste reduzierten Arrangements früher oder später gegen eine Wand laufen würde.
Dass sich John bei der Umsetzung seiner jüngsten Ideen unter die Arme greifen ließ, spürt man anhand der unaufdringlichen Virtuosität im übertragenden Sinn, mit der die Tracks auf "LP5" strukturiert wurden. Das auf den ersten Hör schlicht gestrickte Material "entlarvt" zwei findige Arrangeure, die den Begriff "Americana" bei aller Liebe zu Traditionen relativ weit fassen, womit sie vielleicht nicht ganz zufälligerweise auch den nie eindeutigen Textinhalten Rechnung tragen.
Nichtsdestoweniger lässt Moreland quasi die Hosen runter, wenn er etwa im rührenden 'In Times Between' seinem verstorbenen Freund und Musikerkollegen Chris Porter Tribut zollt oder das mit warmem Orgelteppich unterfütterte 'I'm Learning How to Tell Myself the Truth' ausnahmsweise so benannt hat, dass man die Message überhaupt nicht verfehlen kann.
Das erst nach dreijähriger Schwangerschaft mit den zugrundeliegenden Ideen realisierte Liebeslied 'When My Fever Breaks' hebt unterdessen ob gewollt oder nicht ein Leitmotiv hervor, das sich durch die meisten Lyrics zieht: den metaphorischen langen Atem, den man braucht, um in allen Lebensbereichen voranzukommen, wozu für den Singer-Songwriter persönlich im Besonderen die Fähigkeit zur Selbstakzeptanz gehört.
FAZIT: "LP5" ist nicht nur John Morelands bis dato wahrscheinlich intimstes Werk, sondern auch ein annähernd genialer Leisetreter im Spannungsfeld zwischen Akustikrock, Southern Drone und (liebgewonnenen wohlgemerkt) Wandergitarristen-Klischees. Der von den nordamerikanischen Medien auf Händen getragene Vollblutmucker setzt sich hiermit ein vorläufiges (leises) Denkmal. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/e52fbc3faa584b3485e0bba176efb92d" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.02.2020
Old Omens-Thirty Tigers / Bertus-Membran
41:08
07.02.2020