Von seinen bescheidenen Anfängen mit Wohnzimmeraufnahmen ("Hypertension", 2003) kurz nach der Jahrtausendwende bis zu seinem aktuellen, in vielfacher Hinsicht stylischen neuen Album hat Jon Gomm einen relativ weiten Weg beschritten. Der Brite mit dem unscheinbaren Namen versöhnt nun nämlich eine unter Kennern zum Zungeschnalzen bewegende Virtuosität mit ganz klassischem, oft verblüffend schlichtem Singer-Songwritertum.
In der Art und Weise, wie er den Schallkörper seines Instruments gezielt als zusätzliches Gestaltungsmittel nutzt, ähnelt der arrivierte Akustikgitarrist den Künstlern im Programm des auf unverstärkte Solisten spezialisierten amerikanischen Labels CandyRat - etwa dem Kanadier Ewan Dobson, aber auch der immerzu tollen Kaki King oder dem 1997 zu früh verstorbenen Michael Hedges.
Perlende Arpeggien mit an Obertönen reichen Anschlägen, die dank der sehr nahe an die Klangquelle führenden Produktion der Songs praktisch durchs gesamte Frequenzspektrum oszillieren, harmonieren prächtig mit der höheren Singstimme des jungen Mannes aus Blackpool, der in der britischen Musikszene mittlerweile ein im breiteren Rahmen beliebter Exot ist.
Sein kompositorisches Spektrum auf "The Faintest Idea" reicht von poppigen Tracks wie dem eröffnenden 'Deep Sea Fishes' (sehnsuchtsvoll) oder dem treibenden 'Dream Factories' über zwischen Kargheit und Opulenz (dank dezenter Unterfütterung mit Synthesizern) pendelnden Instrumentals ('The Ghost Inside You') bis zu edelstem Studio-Klangdesign (das soulige 'Tempest', das loungige 'Until The Sun Destroys The Earth'), das ihm in den vergangenen Jahren größere Chart-Erfolge bescherte.
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Zutiefst persönliche und glaubwürdig dringlich vorgetragene Texte machen das eindrucksvolle, aber letzten Endes nicht übermenschliche und vielmehr sehr nahbare Gesamtbild komplett.
FAZIT: Mit Jon Gomm hat England seinen "neuen Wilden" in Sachen Gitarrenmusik, bloß dass sich der Künstler gänzlich sowohl von den Claptons, Mayalls und Pages als auch den Liam Gallaghers und Jonny Greenwoods seiner Heimat unterscheidet. "The Faintest Idea" birgt das Potenzial, ans Lagerfeuer bzw. in den Orchestersaal abgeschobene Stahlsaiten- und Klassikgitarren ganz jungen Generationen schmackhaft zu machen. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/43492540e015495cb1b38816209f5f27" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.10.2020
Jon Gomm
Jon Gomm
Jon Gomm
Kscope / Edel
54:22
16.10.2020