Der Titel dieses Doppel-Albums spricht auch und gerade in Verbindung mit dem Namen des Künstlers, der es herausbringt, für sich selbst: Konstantin Wecker bricht im Rahmen eines opulenten Live-Programms eine Lanze für live aufgeführte Musik und somit auch den allgemeinen Kulturbetrieb, der im Zuge der Covid-19-Pandemie in gefährlichem Maß in Mitleidenschaft gezogen wird.
Wecker lässt als singender und sprechender Moderator am Klavier gemeinsam mit Dörte Lyssewski und Michael Dangl, die den Lesungs-Part des Events im Wiener Theater im Park übernommen haben, über ein halbes Jahrhundert im Zeichen der Tonkunst Revue passieren. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen narrativen und musikalischen Momenten naheliegenderweise, sodass man "Lieder und Gedichte" im Grunde nur in seiner Gesamtheit fassen kann.
Nichtsdestoweniger befinden sich unter den sage und schreibe 57 Tracks, in die man die fast zweieinhalbstündige Performance unterteilte, inbrünstige Perlen wie 'In diesen Nächten' (von "Genug ist nicht genug", 1977), 'An meine Kinder' ("Ohne Warum", 2015) oder 'Ich liebe eine Hure' ("Eine ganze Menge Leben", 1978), derweil Wecker seine Karriere mehr oder weniger chronologisch resümiert und praktisch eine künstlerische Autobiografie in Kurz- statt ausführlicher Schriftform zur Debatte stellt.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/t0764Gmtofw" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Nicht unter den Tisch kehren darf man indessen auf keinen Fall die Leistung der Lesenden: Speziell 'Fragwürdiges' fesselt dank Lyssewsks rauchiger, expressiven Stimme, die wahrscheinlich auch eine Einkaufsliste packend vortragen könnte, und Dangl brilliert während der kurzen 'Variationen über ein Gedicht von Erich Fried' mit einer nachdrücklichen Interpretation der Worte eines Liedermachers, dessen Selbstverständnis und Talente an und für sich als Maßstab dafür gelten sollten, dass sich jemand ebenfalls so nennen darf.
FAZIT: Meisterhafte deutsche Lyrik ohne künstliches Pathos, dennoch höchst emotional und im Verbund mit virtuosem Klavierspiel unschlagbar - wer Konstantin Weckers Stimme und Wesen (Vorurteile?) nicht kategorisch ablehnt, erhält mit "Jeder Augenblick ist ewig" (Jawohl!) ein Referenzalbum fürs Jetzt, Später und Irgendwann. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/7377a5f4b26e4566a44bc89cb5469da0" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.11.2020
Label: Laut & Luise / Alive / Kontor
149:19
20.11.2020