Die Anfang des neuen Jahrtausends hochgelobte, damals neue Welle von Bands, die sich am Sound und an der Ästhetik stilprägender Thrash-Acts orientierten, legte sich zwischenzeitlich wieder, und nach der nunmehr offensichtlich abgeschlossenen "Gesundschrumpfung" bleiben jene Combos zurück, die von Anfang an mehr auf dem Kasten hatten, als sich Vintage-Basketballstiefel, Kopftücher oder Baseballmützen und Stretchhosen anzuziehen, während sie nebenbei mehr schlecht als Recht eine Handvoll von Anthrax, Exodus und vielleicht auch Kreator zusammengeklaubter Riffs spielten.
Was das mit SHRAPNEL zu tun hat? Ganz einfach, die Briten gehören zu jener nunmehr überschaubaren Zahl von Überlebenden und sind hörbar gereift - darf man das im Kontext des von jeher Jugendlichkeit propagierenden Subgenres überhaupt sagen? Egal, jedenfalls lässt sich ihr drittes Album guten Gewissens als für die Zukunft tragfähiges und - jawohl - erwachsenes Werk bezeichnen.
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Auf "Palace For The Insane" bleiben die Trademarks der Gruppe natürlich erhalten, speziell die schon immer stilvollen Leads des federführenden Gitarristen Nathan Sadd, doch von der ausgelutschten Vorgehensweise, im Akkord pfeilschnelle und auch ansonsten Genre-konforme Stücke herauszuhauen, haben SHRAPNEL spätestens jetzt Abstand genommen. Dass sie 2019, als man mit der EP "Decade Of Decimation" das zehnjährige Jubiläum der Band feierte, im Zuge der Neuaufnahme alter Songs besorgt feststellte, wie schnell solche Methoden in eine Sackgasse führten, überdachte sie konsequent ihre Ambitionen.
Die Herren spielen außerdem erstmals als Quartett auf und arbeiten nicht mehr mit Produzent Scott Atkins zusammen, der jüngst Vader im Studio betreute, wobei das eigentlich Einschneidende allerdings die Rekrutierung des neuen Bassisten und Sängers Aarran Jacky Tucker ist. Davon abgesehen, dass SHRAPNEL in ihren aktuellen Texten historische Themen, Aleister Crowleys okkulte Theorien und Mythologie verschränken, während die Pflege geistiger Gesundheit ein Leitmotiv bleibt, erweitert der neue Frontmann ihr Klangfarbspektrum merklich, denn spätestens jetzt wird sie dank seines melodischen Timbres auch für Classic-Metaller interessant.
Traditionell derb geht es vornehmlich während 'Bury Me Alive', 'The Mace' und 'Infernal Choir' zu, wohingegen 'Begin Again', ein Abgesang auf einen verstorbenen Freund, durch seine Einfühlsamkeit überrascht und u.a. 'Turn Off The Lights' 'Future Sight' sowie das Finale 'Palace For The Insane' progressive Ansprüche geltend machen.
Weiterentwicklung gelungen!
FAZIT: Mit "Palace For The Insane" legen SHRAPNEL ein Fundament für eine längere, substanzielle Karriere. Die Band löst sich zusehends von den Zwängen juveniler Thrash-Rüpelei und stemmt dabei ihr bisher spannendstes Werk. Vergleiche? Artillery auf ihrem Meisterwerk "By Inheritance" oder Overkill während ihrer verspielten Phase Anfang bis Mitte der 1990er. <img src="http://vg07.met.vgwort.de/na/7d1929bc7b8b4978b99a6311217c0d45" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.05.2020
Candlelight / Universal
50:32
15.05.2020