Als "Wildflowers" 1994 herauskam, war Tom Petty dem Hintergedanken gefolgt, nach zwei von Jeff Lynne auf Hochglanz polierten Produktion etwas Erdiges, in jeder Hinsicht Reduziertes zu veröffentlichen. Da die Platte rückblickend eine derjenigen in seinem Repertoire ist, die besonders gut alterte, ergibt eine um erhebliches Bonusmaterial erweiterte Neuauflage zum Jubiläum eine Menge Sinn.
Im musikalischen Klima Mitte der 1990er - Stichwort Grunge oder "Alternative" Rock - wirkte das Album auf seine positiv glanzlose Singer-Songwriter-Art wie ein Fremdkörper. Einen besser geeigneten Mann als Rick Rubin (neben Mike Campbell) hinter den Reglern hätte Petty nichtsdestoweniger nicht dafür finden können.
Rustikale Americana, wenig Rock 'n' Roll - so lautete die Devise für das emotional wahrscheinlich eindringlichste Werk des Künstlers. "Wildflowers" war ursprünglich als Doppel-CD mit 25 Songs konzipiert, doch die Plattenfirma legte ihr Veto ein, sodass die Protagonisten das ganze um zehn Stücke kürzen mussten. Unter dem Titel "All The Rest" behielt Petty das übrige Material unter Verschluss, um es irgendwann einmal nachzuschieben - was zu seinen Lebzeiten bekanntlich nicht mehr passieren sollte. 2020 nun kommen fünf weitere Tracks hinzu, vier davon andere Fassungen bereits enthaltener Tracks, die es 1996 nicht auf den Soundtrack zum Hollywoodfilm „She’s The One“ schafften; die Deluxe-Version mit insgesamt fünf (!) Tonträgern komplettiert die Aufarbeitung um alternative Takes von Albumsongs, B-Seiten und Demos
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Einige der seinerzeit Songs ausgelassenen Nummern sind den Fans wahrscheinlich bekannt. 'Leave Virginia Alone' avancierte 1995 zu einem Mini-Hit für Rod Stewart, wohingegen 'California' und 'Hung Up and Overdue' - beide für den erwähnt Movie-Score geplant - später gleichfalls als Neuaufnahmen offiziell verfügbar gemacht wurden. Von den bis zuletzt "verschollenen" Tracks bestechen vor allem 'Confusion Wheel' und 'Somewhere Under Heaven' als relaxte Highlights mit "Sonne auf den Pelz brennen lassen"-Flair.
Bei allem Mehrwert, den dieser Re-Release bietet, darf man dennoch konstatieren, dass die ursprünglichen Songs des Albums in ihrer Original-Reihenfolge als Pettys leises Meisterwerk für sich selbst stehen. Die Zubrote indessen erhellen "nur" das bis zu seinem Tod immer etwas unterbelichtet gebliebene Porträt des legendären Liedermachers - was seine Quasi-Unantastbarkeit und den anhaltenden Reiz, den er auf die Nachwelt ausübt, lediglich bestätigt.
FAZIT: "Wildflowers", eine Vorzeige-Americana-Scheibe, die ihrer Zeit voraus war, erscheint 2020 in einer expandierten "fast mehr als genug"-Edition, mit der das letzte Wort in dieser Sache gesprochen sein dürfte. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/4c26ac9fd9ce484895a182237fd45e08" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.10.2020
John Pierce, Tom Petty
Tom Petty, Carl Wilson
Tom Petty, Mike Campbell
Benmont Tench, Tom Petty
Ringo Starr, Lenny Castro, Phil Jones, Steve Ferrone
Brandon Fields, Greg Herbig, Jim Horn, Kim Hutchcroft (Saxofon)
Warner
142:39
16.10.2020