Zum 30. Jahrestag ihrer Gründung lassen sich Enslaved nicht lumpen und hauen gleich vier Konzertmitschnitte heraus, die zwangsläufig unter kompromissbehafteten Umständen während des andauernden Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie gemacht werden mussten.
Nichtsdestoweniger haben die Norweger das Optimum aus der misslichen Situation geholt und jeden der ursprünglich online gestreamten Gigs auf besondere Weise respektive unter einem bestimmten Motto aufgezogen. Bei "Chronicles of the Northbound" handelt es sich um die Nachlese ihres Auftritts in der USF Verftet in ihrer Heimatstadt Bergen - einer ehemaligen Sardinenfabrik, die zu einem Kultur- und Kunstperformance-Zentrum gebaut wurde. Das Event fand mit Unterstützung der Macher des niederländischen Roadburn Festival im Sommer 2020 statt.
Das dargebotene Programm entspricht genau jener Setlist, über die ENSLAVEDs Fans im Internet abstimmen konnten. Neben dem praktisch unvermeidbaren ´Isa´ zum Schluss spielt sich lediglich ´The Watcher´ im herkömmlichen Rahmen von fünf Minuten Spielzeit ab und ist zugleich - bezeichnenderweise - der unauffällgste Track im Programm.
So kommt es, dass die Band hiermit unbewusst unterstreicht, dass sie auf ausladendem Prog-Metal-Terrain am hellsten strahlt, und falls das jemand immer noch nicht wissen sollte, bietet "Chronicles of the Northbound" weitere deutliche Belege dafür - insbesondere das sage und schreibe 17-minütige Fassung von 793 ´(Slaget om Lindisfarne)´, aber auch ´Ethica Odini´ mit seinem unsterblich griffigen Hauptriff und das das auf allen Ebenen erhebende Geknüppel ´Roots of the Mountain´
Zur Krönung fehlt dann nur noch das sphärische ´Death in the Eyes of Dawn´ das vom Wechselspiel zwischen harschem und cleanem Gesang lebt, aber auch die Hammondorgel als längst maßgebliches Gestaltungselement für ENSLAVEDs Musik hervorhebt.
FAZIT: Auf "Chronicles of the Northbound" finden sich einige der sperrigsten und zugleich aufregendsten Tracks aus ENSLAVEDs Diskografie, gespielt in einer sozusagen kontrollierten Live-Umgebung mit dennoch spürbarer Bühnenenergie und praktisch als Dokument einer der vielen Facetten der quecksilbrigen Ausnahmeband. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/0da3efb045be4dacacf3d2f9c77cade3" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.06.2021
Grutle Kjellson
Grutle Kjellson, Ivar Bjørnson, Håkon Vinje
Ivar Bjørnson, Arve Isdal
Håkon Vinje
Iver Sandøy
Nuclear Blast / Rough Trade
50:50
25.06.2021