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Fren: Where Do You Want Ghosts To Reside

Stil: Instrumentaler Progressive Rock

Cover: Fren: Where Do You Want Ghosts To Reside

Instrumental! Progressiv! Jazz-Rockig! Komplex-Retrolastig! Polen!
Schlagworte, die allen altgestandenen Ostprog-Freunden ein breites Lächeln direkt zwischen den progverwöhnten Ohren ins Gesicht zaubern und die magischen Worte SBB, SKALDOWIE und NIEMEN murmeln lassen. Das waren ganz große Prog-Zauberkünstler, die auch den eingemauerten Zeitgenossen die progressive Rockmusik zugänglich machten, welche sie von deren westlichen Pendants, wie ELP, YES, KING CRIMSON, GENESIS, PINK FLOYD usw., nicht erwerben konnten.
Nun aber müssen wir diese Kategorie des 70er-Ost-Progs unter den oben angegebenen Schlagworten unbedingt um eine weitere (instrumentale) Prog-Entdeckung der Gegenwart aus Polen erweitern: FREN!

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Irgendwo zwischen der progressiven Finsternis von ÄNGLAGARD über WOBBLER und ANEKDOTEN bis hin zu KING CRIMSON oder ihren Landsleuten SBB und SKALDOWIE suchen FREN rein instrumental, natürlich auch mit einer gehörigen Mellotron- und Orgel-Dröhnung, ihr Prog-Rock-Glück. Und dass die dunklen Klänge eine wichtige Rolle dabei spielen, verrät schon der erste, nach der gruseligen Mystery-Serie von DAVID LYNCH benannte Titel „Twin Peaks“.

Vieles erscheint geheimnisvoll auf „Where Do You Want Ghosts To Reside“. Nicht nur die Musik, die zwischen dynamisch-druckvollen und entspannt-ausufernden, akustischen und elektrifizierten oder Jazz-Passagen ihr Geister-Seelenheil sucht und auch vor offensichtlichen Retro-Zitaten Richtung KING CRIMSON, JETHRO TULL, PINK FLOYD oder CARAVAN, nicht haltmacht, wobei allerdings die eigenen kompositorischen Idee deutlich überwiegen.
Auch die Gestaltung des Digipak durch Schlagzeuger Oleksii Fedoriv mit ausgestanztem Fenster, durch das man auf ein eigenartiges Wesen des kunstvoll gemalten Einlegers blickt, fesselt einen. Zieht man diesen heraus, erst dann kommt der Bandname zum Vorschein. Wahrhaft gespenstisch – genauso wie es der Albumtitel verspricht.

Längster und zugleich am stärksten mit dem Jazz liebäugelnder Titel ist „Pleonasm“, dessen Komplexität, ohne dabei den Blick für die Melodie zu verlieren, einer musikalischen Achterbahnfahrt gleicht, auf die man sich in aller Ruhe einlassen sollte, damit einem auch richtig schön schwindelig wird. Das Prog-Quartett aus Krakau spielt hier stilistisch feinsten Art-Rock, der mit klassisch-akustischen Klängen beginnt, in Jazz-Gefilde übergeht, uns zwischendurch GENESIS-alike anlächelt und langsam zu einem bombastischen Retro-Prog-Monster erhebt, das immer wieder von Jazz-Einsprengseln ausgebremst und zum ruhigen Ende geführt wird.

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FAZIT: FREN aus Krakau sind ein Glücksgriff für alle, die sich seit den Endsechzigern und Frühsiebzigern bereits für polnischen Prog-Bands der Marke SBB oder deren Krakauer Landsleute SKALDOWIE begeistern konnten. Absolut überzeugender komplexer, doch trotzdem melodie-orientierter Instrumental-Prog, der mutig eine Vielzahl stilistischer Wandlungen wagt. „Where Do You Want Ghosts To Reside“ ist ein verdammt starkes Debüt, das Erinnerungen an die Siebziger weckt, ohne dabei verstaubt oder antiquiert zu klingen. Progressive Frei-Geister sollten unbedingt die musikalischen FREN-Geister für sich entdecken.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.02.2021

Tracklist

  1. Twin Peaks
  2. Surge
  3. Goraca Iinia
  4. Pleaonasm
  5. Heavy Matter
  6. Time To Take Stones Away

Besetzung

  • Bass

    Andrew Shamanov

  • Gitarre

    Michal Chalota

  • Keys

    Oskar Cenkir, Andrew Shamanov

  • Schlagzeug

    Oleksii Fedoriv

Sonstiges

  • Label

    Eigenvertrieb/Just For Kicks

  • Spieldauer

    44:42

  • Erscheinungsdatum

    18.12.2020

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