Der Name JOHN HARTFORD (1937-2001) mag bei vielen nicht auf Anhieb zu einem Aha-Erlebnis führen; Folkies, Bluegrassern oder Americana-Liebhabern jedoch dürfte der in St. Louis aufgewachsene New Yorker Musiker, Songwriter und Autor auch hierzulande bekannt sein, obwohl er nicht eben oft in Europa zu hören war. Zu seinen Lebzeiten sind mehr als dreißig Alben von ihm erschienen, Live-Aufnahmen waren allerding nur wenige darunter.
Umso erfreulicher also, dass das MiG-Music-Label mit „Steamboat Whistle Blues“ nun eine Konzertaufnahme herausbringt, die am 28. Februar 1977 in Bremen entstanden ist (Aufnahme Radio Bremen). Beinahe achtzig Minuten JOHN HARTFORD live, solo, singend, Gitarre, Banjo oder Geige spielend – und als Rhythmusgeber diente ihm eine mit einem Tonabnehmer versehene Sperrholzplatte. Alles in allem die Grundlage für ein schlichtes, aber durchaus wirkungsvolles Soundgebilde und als solches ab Mitte der Siebzigerjahre HARTFORDS unverwechselbares Markenzeichen seiner Solo-Auftritte.
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Zum Zeitpunkt des Bremer-Konzerts war JOHN HARTFORD längst ein angesehener Musiker, zudem einer ohne Geldsorgen: Seine Songs wurden von einer ganzen Reihe von Country-Größen gesungen, er hatte als Gitarrist- und Banjo-Spieler auf „Sweetheart Of The Rodeo“ (The Byrds, 1968) einen Beitrag an eines der feinsten Country Rock-Alben überhaupt geleistet, und er war dank der Tantiemen seines Songs „Gentle On My Mind“, der in der Version von Glen Campbell zum Welthit geworden war, finanziell unabhängig.
Die neunzehn Songs auf „Steamboat Whistle Blues“ vermitteln einen exzellenten Überblick über das erste Jahrzehnt von HARTFORDS Karriere. „Gentle On My Mind“ – in einer leicht schrägen Banjo-Version – fehlt natürlich nicht, und neben einigen Songs von seiner damals aktuellen (und hervorragenden) Platte „Mark Twang“ sind auch eine ausnehmend schöne Interpretation von „Nobody Eats The Linebaugh’s Anymore“ („Morning Bugle“, 1972) sowie ein dynamischer „Steamboat Whistle Blues“ („Aereo-Plain“, 1971) zu hören.
Die Tonqualität ist insgesamt – angesichts des Alters der Aufnahmen erst recht – in Ordnung, auch wenn die Abmischung stellenweise ein wenig grell geraten ist und der so virtuose „My Rag“ durch das aufdringliche Tapping arg beeinträchtigt wird.
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FAZIT: „Steamboat Whistle Blues“ ist eine weitere wertvolle MiG-Veröffentlichung und sorgt bei Freunden der bodenständigen und ländlichen US-Südstaaten-Musik gewiss für Freude. JOHN HARTFORDS Schaffen war nicht massentauglich, dafür ungekünstelt und tief im Bluegrass, Folk oder Ragtime verwurzelt.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.08.2021
John Hartford
John Hartford
John Hartford (Banjo, Violin, Tapping)
MIG Music GmbH
78:30
30.07.2021