Wer auf der Suche nach unbeschwerter und aufgestellter Musik ist, landet bei JOHN MURRY definitiv an der falschen Adresse. „The Stars Are God’s Bullet Holes“, das dritte Album des Amerikaners aus Tupelo, Mississippi, betört und verwirrt gleichermaßen, wie seine Vorgänger auch: Musikalisch bringt es wiederum die Verschmelzung eines (diesmal noch kantigeren und raueren) Indie-Rocks mit schwermütigem Folk, textlich ist es ein MURRY-Album halt – düster, voller Metaphern und tausenderlei Deutungsmöglichkeiten.
MURRYS Texte erschließen sich nicht wirklich, sind voller Andeutungen und lassen mehr erahnen als erkennen. Im wunderschönen „Ones + Zeros“ beispielsweise singt er, unterstützt von der libanesischen Sängerin Nadine Khouri: „Zerreißt jeden Schleier, malt die Stadt an, die Wespenfabriken werden stillgelegt, unser Reich ist gekommen, Kind“. Dies könnte ein Bezug sein zu Frank Cauldhame, der autistischen Hauptperson in „The Wasp Factory“, dem doch ziemlich schaurigen Debütroman des schottischen Schriftstellers Iain Banks.
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Wenn sich JOHN MURRY dem Protagonisten von Banks Roman verbunden fühlte, wäre dies nicht verwunderlich. Beim heute etwas über vierzigjährigen Songwriter wurde vor zehn Jahren Autismus diagnostiziert, und er hat zudem traumatische Heimaufenthalte, eine Heroinsucht sowie eine gescheiterte Ehe hinter sich. Wenn die Wespenfabrik also geschlossen wird und eine neue Zeit anbricht, deutet dies gar auf bessere Zeiten hin. MURRYS „Flucht“ nach Irland vor einigen Jahren scheint ein guter Schritt gewesen zu sein.
Das Sehnen nach dem andern, vielleicht gewöhnlicheren Leben kommt auch in der einzigen Fremdkomposition des Albums zum Ausdruck. Dass MURRY hier Duran Durans „Ordinary World“ covert, wird kein Zufall sein, und der Song gehört in dieser Form unzweifelhaft zu den Highlights des Albums. Noch eindrücklicher ist „Di Kreutser Sonata“, ein großartiges Sinnieren über das Feststecken zwischen unguten Erinnerungen und Träumen, zwischen Schwindel und Plänen – MURRYS warmer Bariton und Joe Harvey-Whytes Pedal Steel ergänzen einander zu einem Meisterwerk.
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FAZIT: „The Stars Are God’s Bullet Holes“ ist ein verzwicktes, geheimnisvolles und dunkles Album – aber eines von ungemeiner und zuweilen magischer Schönheit. JOHN MURRYS wohltönende Stimme findet zusammen mit einer fein ausgewogenen Instrumentierung den idealem Einklang, und zudem ist das Mastering von Christian Wright (Abbey Road Studios) perfekt: Derart transparenten und raumfüllenden Sound bekommt man nicht immer geliefert. Ganz starke Scheibe!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.08.2021
Tali Trow, John Parish
John Murry
John Murry
John Murry
Johnny Boyle
John Parish (Gitarre), Drew Morgan (Cello), Joe Jones (Electronics), Nadine Khouri (Gesang), Hopey Parish (Backing Vocals), Joe Harvey-Whyte (Pedal Steel)
Submarine Cat Records
43:50
30.07.2021