Eigentlich kommt das erste Doppelalbum in MASTODONs Karriere recht spät, denn die Band war schon früh für ausladende Konzepte und auf allen Ebenen epische Musik bekannt. Tatsächlich handelt es sich bei "Hushed and Grim" aber nicht nur um die erste Veröffentlichung mit neuen Kompositionen der Metal-Stars seit vier Jahren, sondern auch sozusagen um ihre Premiere im XXL-Format.
Der vom Start weg mitreißende Opener ´Pain With An Anchor´ steht mit seinen weiten Melodiebögen und sehnsüchtigen emotionalen Stoßrichtung beispielhaft für den gesamten Rest des aktuellen Materials der Band, vermittelt aber auch gleich wieder ein Gefühl von Vertrautheit beim Fan, ohne dass man anmerken müsste, Das Quartett würde auf Nummer sicher gehen. "Hushed and Grim" ist auch deshalb so eindringlich, opulent und größtenteils finster ausgefallen, weil es im Zeichen des Krebstodes von MASTODONs langjährigem Manager und Freund Nick John im Jahr 2018 steht.
Nebenbei bemerkt wirkt ein nicht mit Covid-19 als (Promo-)Aufhänger herauskommendes Musikalbum dieser Tage erfrischend, doch MASTODON klingen auch unabhängig davon unverbraucht, sei es während des kompakten Antreibers ´The Crux´, im getragenen, licht arrangierten und auf die Vocals zentrierten ´The Beast´ (der Fokus auf Sanders und Hinds, die immer besser singen, macht sich auf "Hushed and Grim" generell bezahlt) oderim achteinhalbminütigen Heavy-Prog-Highlight ´Gobblers Of Dregs´.
Das rhythmisch verspielte ´Sickle And Peace´ und das genauso quirlige ´Peace And Tranquility´ stehen der Ballade ´Skeleton Of Splendor´ und der gleichsam ruhigen Mellotron-Elegie ´More Than I Could Chew´ gegenüber, wobei die Dynamik ohnehin selten auf einem MASTODON-Album so hoch war… was bei dieser Band eine Menge heißen will.
Die für die Masse sicherlich herausragenden Tracks sind das unverblümt poppige ´Teardrinker´ und ´Had It All´, eine Power-Ballade mit hübschem Gitarrensolo von Soundgarden-Gitarrist Kim Thayil
´Pushing The Tides´. Eine stilistische Kurskorrektur stand im Vorfeld der Arbeiten an dieser Platte offensichtlich nicht zur Diskussion; vielmehr haben MASTODON ihren seit je einzigartigen Sound "nur" weiter verfeinert und dabei einige ihrer feinsinnigsten Stücke überhaupt geschrieben.
FAZIT: MASTODON in Spielfilmlänge, aber nicht minder kurzweilig und mit denselben Anziehungspunkten ausgestattet wie ehedem - "Hushed and Grim" ist keine zu einem Album gewordene Tagesordnung, aber auch kein Stilbruch, und dürfte erfolgstechnisch zu einem Selbstläufer werden… ob auch ein Klassiker, dafür sprechen konkret die meisten der oben genannten und beschriebenen Nummern. In jedem Fall handelt es sich für den Vierer aus Atlanta um ein diskografisches Highlight, das länger nachhallen wird. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/1701e28550904b268900e5c46576b6a4" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.10.2021
Troy Sanders
Troy Sanders, Brent Hinds, Brann Dailor
Gitarre
Brent Hinds
Brann Dailor
Reprise / WMG
93:24
29.10.2021