Sechs Jahre nach dem titellosen (empfehlenswerten) Debüt erscheint mit „Playing House“ das Zweitwerk des zum Oktett angewachsenen norwegischen Ensembles. Und bietet eine konsequente Weiterentwicklung, die von den ersten zarten Klaviertönen an, überzeugen kann.
MEER spielen eleganten Artpop, der sich luftig zwischen abwechslungsreichen Uptempo-Nummern („Picking Up The Pierces“, „Beehive“) und wehmütigen Balladen bewegt. Die Streicher sorgen für einen klassischen Touch, haben das ganze Spektrum drauf, schwelgerisch, treibend, pointiertes Pizzicato präsentierend, gekonnt und mitreißend, dabei näher an CURVED AIR als an KANSAS („You Were A Drum“ ist gar mit Jean-Luc Ponty befreundet). Johanne Kippersund ist eine exzellente Sängerin und darf ungestüm starten, während ihr Bruder Knut zunächst für die soften Momente sorgt. Seine angenehme, flaumige Stimme ist dafür prädestiniert. Aus dem Schatten seiner Schwester kann er sich aber nicht ganz lösen.
Die Melodien besitzen Strahlkraft, die Instrumentierung ist vielschichtig, aber nicht überladen, das Soundgefüge bleibt seidig und offen und wird nicht vom üppigen Drama, das die Band gerne zelebriert, erschlagen. „Honey“ ist ein erfolgreicher Ausflug in elektronische Gefilde, bei dem am Ende wieder Piano, Streicher, wirbelnde Drums und vollmundiger Gesang für Kinoatmosphäre sorgen. „Across The Ocean“ flutet Richtung COLDPLAY, und wie zu erwarten beherrschen MEER diese Art des pastoralen Pop-Reigens im Halbschlaf. Das folgende, rhythmisch akzentuierte und überbordende „She Goes“ gefällt aber besser. „Lay It Down“ ist ein traumhafter, flirrender Abschluss, erneut mit Soundtrack-Flair.
Das heißt, Käufer*innen der Doppel-LP bekommen noch eine balladeske Umarbeitung des WHITESNAKE-Gassenhauers „Here I Go Again“ geboten. Kann man (nur) so machen, ist aber wie das Basismaterial nicht zwingend notwendig. Insofern kann man auch mit der kürzeren CD-/Digitalausgabe sehr gut auskommen.
FAZIT: „Playing House“ ist ein rundum geglückter Ausflug in breitwandigen, orchestralen Pop, der leise wie rockige Töne nicht ausspart. MEER haben keine Angst, große Gefühle in Szene zu setzen, tappen dabei nicht in die säuselnde Kitsch-Falle. Ein optimistisches Album, das die dunklen Seiten des Daseins kennt, sich aber lieber dem Licht entgegen bewegt. Bekommt von der Verspieltheit her - musikalisch wird, trotz Streichern, in anderen, wenn auch benachbarten Gefilden herumgekreuzt – den ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA-Orden am Bande verliehen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.03.2021
Morten Strypet
Johanne Kippersund, Knut Kippersund
Eivind Strømstad
Ole Gjøstøl
Mats Lillehaug
Åsa Ree (violin), Ingvild Nordstoga Eide (viola)
Karisma Records/Plastic Head Distribution
54:56
29.01.2021