Die bislang sechs Studioalben von ALTER BRIDGE haben sich millionenfach verkauft, das siebte dürfte nun zu einem weiteren Selbstläufer werden - aber nicht etwa aus dem Grund, weil die Band aus drei von vier Creed Mitgliedern und Frontmann Myles Kennedy lediglich ihren Schuh herunterspielen würde. Sie hat sich in den vergangenen Jahren stetig von einer etwas härteren Neo-Grunge-Combo zu einer jederzeit frisch klingenden, Riff-orientierten Metal-Band entwickelt, bei deren Trefferquote, was Hits angeht, weiten Teilen des sonstigen Mainstreams Angst und Bange werden kann.
Und "Pawns & Kings" enthält "mal eben" Stücke, deren Facettenreichtum keine frühere ALTER BRIDGE-Platte geboten hat, und zwar ohne dass Riff-Meister Mark Tremonti und Co. die himmelhaushohen Hooks vergessen würden. Sollte man das Album auf ein Adjektiv herunterbrechen, wäre es "kämpferisch", wobei ´This Is War´ bereits mit seinem Titel eine Kampfansage darstellt.
Dieser noch relativ erwartbaren Einstiegs-Hymne folgt jedoch alles andere als berechnete Stückware: ´Dead Among the Living´ paar tiefe Nu-Metal-Grooves mit nahezu Classic-Rock-kompatiblen Harmonien und natürlich entsprechenden Vocals von Myles Kennedy, der wieder einmal um sein Leben zu singen scheint…
Und umso mehr im leicht überlangen ´Sin After Sin´, womit ALTER BRIDGE mitnichten Judas Priest Tribut zollen, sondern die Disziplin "Mini-Epos" mit geradlinigen Headbanger-Passagen vermählen. Der Refrain ist hier genauso groß wie anschließend in ´Stay´, bloß dass es sich hier bei um den einen offensichtlichen Radiosingle-Kandidaten der Platte handelt.
Als müsste sich das Quartett dafür entschuldigen, haut es mit ´Holiday´ eine zunächst sperrigere Nummer heraus, die sich aber ebenfalls als äußerst mitsingbar entpuppt - und für ihre einmal mehr assoziationsreichen statt Stadionrock-Allgemeinplätze abklappernden Songtexte gehören ALTER BRIDGE ebenfalls geadelt.
So geht zeitloser Rock… und ´Fable of the Silent Son´ dringt dann sogar in progressive Gefilde vor, denn die achteinhalb Minuten verschränken tatsächlich die Komplexität der klassischen Genre-Helden der Siebziger mit mehreren Melodien für die Ewigkeit, während sich Dream Theater seit Jahren bemühen, noch einmal einen Gassenhauer wie ´Pull Me Under´ auf die Reihe zu kriegen.
ALTER BRIDGE könnten, wenn sie wollten, wie auch ´Last Man Standing´ mit seinem leicht verqueren Drum-Groove belegt. Das Titelstück macht den Sack zum Schluss mit einem weiteren Hook zu, das man so schnell nicht mehr los wird.
FAZIT: ALTER BRIDGE bleiben State of the Art, was Arena-kompatiblen Hardrock bis Heavy Metal angeht, der nicht Metallica heißt. Eine wahnsinnig gut eingegroovte Rhythmusgruppe, ein gleichermaßen Lead- wie Riff-bewanderter Gitarrist und ein Sänger, an dessen Lippen man unweigerlich klebenbleiben muss, bilden auch auf "Pawns & Kings" eine einzigartige Chemie, die jeder nur halbwegs für heavy Gitarren zu habende Musikhörer erleben muss. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/2360b40e1a464569ad1aded94597c09c" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.10.2022
Brian Marshall
Myles Kennedy
Mark Tremonti, Myles Kennedy
Scott Phillips
Napalm / SPV
55:25
14.10.2022