Amanda Lehmann dürfte dem geneigten Prog-Hörer bekannt sein durch die Arbeit mit ihrem Schwager Steve Hackett, der auf „Innocence And Illusion“ zwei Gitarrenparts und einen Einsatz an der Harmonica tätigt. Unüberhörbar und klassisch gut auf „Where The Small Things Go“, dessen Gesangslinie allerdings Schlaflied-Hyperkitsch darstellt. Glücklicherweise nur 1:42 Minuten lang und der Abschluss eines einnehmenden Albums. Mit Nick Magnus, Roger King und Rob Townsend finden sich weitere Mitglieder aus Hacketts Band zur Begleitung ein.
Amanda Lehmann streift Progressive Rock eher am Rande, frönt sanftem Rock, Blues und einer Folk-Rock-Variante, die gar nicht weit weg von BLACKMORE’S NIGHT ist, mit weniger Mittelalter und glücklicherweise auch weniger allzu süßlichen Säuselns. Als Sängerin macht Lehmann eine gute Figur, besitzt eine helle Stimme mit warmen Timbre, die immer wieder erahnen lässt, dass sie auch ganz andere Facetten drauf hat. „Innocence And Illusion“ bietet Drama, großes und kleines, touchiert immer mal wieder das Musical-Areal.
Der Einstieg ist schleichend, durchaus intensiv, nimmt BEATLES-Bezüge auf und steigert sich in proggige Höhen, um sehnsuchtsvoll zu enden. Die sich überlagernden Stimmen sorgen für anheimelnde Fülle. Ähnlich geht es auf „Tinkerbell“ weiter, mit Mellotron, wehmütigen Gitarren und Gesangslinien, die Sally Oldfield gefallen dürften. „Only Happy When It Rains“ ist relaxter Bar-Jazz. Wer sich noch an VAYA CON DIOS erinnert, dürfte sich sofort heimisch fühlen. „The Watcher“, das längste Stück des Albums, ist ein Höhepunkt, hier trifft Laid Back-Rock auf symphonisch schäumenden Prog und geht eine ungewohnte, aber passende Verbindung ein. Die „Memory Lane“ ist etwas zu tief im New-Age-Folk-Rock-Sumpf angesiedelt, geht aber als bessere Alternative zu einem Eurovision Song Contest-Beitrag durch. Und Rob Townsends Saxophon Solo am Ende ist schön.
Danach folgt verspielter Soft Rock mit gelegentlichen Power-Schüben wie man ihn auch gerne auf Alben des Schwagers findet („Forever Days“). In „We Are One“ scharwenzelt das „Wild Mountain Thyme“ Richtung PINK FLOYD und „Childhood Illusion“ ist ein tänzelnder Slow Blues der nachtschattigen Art, bevor „Innocence And Illusion“ mit dem bereits erwähnten Lullaby in den Schlaf wiegt.
FAZIT: Nur bösartige Menschen würden „Innocence And Illusion“ vorwerfen, dass es vor properem Wohlklang nur so trieft. Aber so sind wir nicht und genießen das anrührende, abwechslungsreiche Werk Amanda Lehmanns mit Andacht und hören geflissentlich über etwas zuviel Zuckerwatte hinweg.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.03.2022
Amanda Lehmann, Paul Johnson
Amanda Lehmann, Steve Hackett
Amanda Lehmann, Nick Magnus, Roger King
Rob Townsend (alt-sax), Steve Hackett (harmonica)
Eigenpressung/Just For Kicks Music
46:11
24.09.2021