Dass man in der Musik oft mit Erwartungshaltungen, Kategorien und Formaten nicht so recht weiterkommt, beweist JULIA 'JULIA, JULIA' KUGEL, die Frontfrau des aus Atlanta stammenden Punk-Trios THE COATHANGERS mit ihrem bezaubernden Solo-Debüt „Derealization“ wieder einmal eindrucksvoll und sehr deutlich.
Bei den COATHANGERS agierte JULIA unter ihrem Alias CROOK KID COATHANGER zwischen 2007 und 2019 mit schrillem, angeschrägten Riot-Grrrl-Punk-Pop im DIY-Stil. Sehr viel weiter hätte sich JULIA auf ihrem Solo-Debüt nun wirklich nicht von dieser Gemengelage absetzen können, denn „Derealization“ präsentiert sich als sanftmütig schwelgerische Sammlung von fast schon zerbrechlichen Selbstfindungssongs im Folk-, Dream- und Psychedelia-Pop-Fomat.
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Logischerweise stehen dann hier nicht Schrammel-Riffs und treibende Poltergeist-Grooves im Zentrum der Betrachtung, sondern verhallte Klangwolken und fragile Akustik-Vignetten mit verträumt dahingehauchtem Mädchen-Gesang (was witzig ist, denn ein Mädchen ist die Musikerin ja schon länger nicht mehr). Das Album entstand, als sie eine traumatische Phase durchlief, in der sie das Gefühl der „Derealisation“ am eigenen Leibe erfuhr und erst durch eine Therapie und die Musik zu ihrer Bestimmung zurückfinden konnte – was der ganzen Sache dann auch eine heilende, therapeutische Wirkung bescheinigt.
Keine Frage: Von solch schöner, fast schon einlullend-hypnotischer Musik lässt man sich dann auch gerne heilen und therapieren.
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FAZIT: Der Titel des Albums „Derealization“ gibt schon einen Hinweis darauf, was JULIA KUGEL denn da thematisch am Herzen gelegen haben könnte, denn Wikipedia meint, dass der Zustand der „Derealisation“ sich auf eine – wohl psychisch bedingte - „abnorme oder verfremdete Wahrnehmung der Umwelt“ beziehe. Und verfremdet ist auf diesem Album – zumindest klangtechnisch - so Einiges. Das soll uns aber alles nicht kümmern, denn unter dem Strich schrieb JULIA als JULIA JULIA hier grandiose Songs, die sogar bei Freunden klassischer Folkdreampopper wie MAZZY STAR große Begeisterung auslösen dürften.
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Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.09.2022
Julia Kugel
Suicide Squeeze
31:03
30.09.2022