Dass eine Band ihrem jüngsten Studioalbum eine hohe Bedeutung zumisst und es statt eines Klassikers aus grauer Vergangenheit in Gänze live aufführt, kann man ihr in einer Zeit schal nostalgischer "Anniversary"-Tourneen nicht hoch genug anrechnen. MOONSPELL sind aktuell so ein Fall, denn die portugiesischen Metal-Botschafter schlechthin haben nicht etwa "Wolfheart" oder "Irreligious" gewählt, um einen außergewöhnlichen Abend in den Höhlen des Naturparks Serra de Aire e Candeeiros der Gemeinde Mira de Aira im Kreis Porto de Mós zu feiern.
Die sogenannte Gruta dos Moinhos Velhos ist die größte bisher entdeckte Höhlenformation Portugals und das Setting für die Darbietung von "Hermitage" in voller Länge. Das Konzeptalbum über Einsiedlerei auf mehreren Bedeutungsebenen liegt Frontmann und Texter Fernando Ribeiro sehr am Herzen, was sich in einer spürbar emotionalen Performance niederschlägt. Regisseur Guilherme Henrique hat den Videoaufnahmen einen kunstvollen Schnitt verpasst, dem eine dezente, aber nichtsdestoweniger stylische Lichtshow entgegenkommt.
Es ist eng in der Höhle, und die Band betont den intimen Charakter der Show dadurch, dass sie sich im Kreis mit seitlich positioniertem Drumkit aufstellt. Die Reihen des Publikums, das mit Mundschutzen und Kopfhörern dasteht, sind vermutlich absichtlich licht gehalten, denn eine dichtgedrängte Meute würde nicht zur beabsichtigten Atmosphäre passen.
Selbige lässt sich womöglich am ehesten mit der rührend bluesigen Ballade ´All Or Nothing´ auf den Punkt bringen. Die Interpretation der Tracks orientiert sich ansonsten grundsätzlich wie bei MOONSPELL-Shows üblich eng an den Studio-Originalen, sei es während des stimmungsvoll echoenden ´Entitlement´, im kraftvollen ´Greater Good´ oder hinsichtlich des stampfenden ´The Hermit Saints´. Das Konzert kommt ohne großartige Kommunikation mit allenthalben sporadischen Zwischenrufen überschwänglicher Fans aus und spitzt sich in seiner Dramatik genauso wie das Studioalbum bis zum pompösen Finale ´The Great Leap Forward´ zu
FAZIT: Forcieren MOONSPELL hiermit die künftige Wahrnehmung von "Hermitage" als Karriere-Highlight? So oder so, der Transfer des vielschichtigen, aufwühlenden Konzeptalbums in ein "grottiges" Setting ist sowohl optisch als auch darbieterisch hervorragend gelungen. Die Gruppe beweist hiermit nicht zuletzt auch, dass sie über Portugal hinaus Maßstäbe in Sachen düsterer Rockmusik setzt. "Wolfheart" und "Irreligious" hin oder her - das hier ist reifer, zeitloser und einfach um ein Vielfaches besser als die frühen Klassiker der Südwesteuropäer. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/4ed8ae3db85949d9940c8d5ee34a4fae" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.09.2022
Aires Pereira
Fernando Ribeiro
Ricardo Amorim, Pedro Paixão
Pedro Paixão
Hugo Ribeiro
Napalm / SPV
60:28
23.09.2022