Durchhaltevermögen zahlt sich aus. Wer in schwierigen Situationen Standhaftigkeit beweist wird immer irgendwie dafür belohnt, selbst wenn die Belohnung Eskapismus ist.
Das dachten sich wohl auch WILLOW PARLO, die mit ihrer selbstbetitelten EP ein Debüt in den Händen haben, das diese Fluchtgedanken, den Willen zum Ausbruch aus der unmittelbaren Realität, kaum passender vertonen könnte.
Diese Musik ist der klanggewordene Traum, der weit weg an Orte führt, in denen die Welt in Ordnung ist. Dass sich eine Nummer wie „Silver Screens“ damit beschäftigt auch in schwierigen Zeiten durchzuhalten ist daher keine große Überraschung.
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Überraschend ist eher der Umstand, dass sich diese EP vom ersten bis zum letzten Ton wie ein Kurzurlaub für die Seele, eine wohlwollende Auszeit vom Negativ-Bombardement des Alltags anfühlt.
Dass ein Song wie „Heavier Love“ davon handelt, welche immense Wirkungskraft ein einzelner Mensch auf das Leben eines anderen haben kann, ist angesichts des Titels nicht verwunderlich. Doch dem Song liegt auch eine Traurigkeit zugrunde, die davon zeugt, dass wir als Menschen meist erst dann realisieren, wie wichtig uns der jeweilige andere Mensch war, nachdem unser Gegenüber bereits fort ist und sich mögliche aufgerissene Wunden nur schwer wieder heilen lassen.
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„Silver Screens“ vertont ein ähnliches Paradoxon. Denn es handelt von Hoffnung und Ängsten, aber auch davon, dass das eine ohne das andere selten zu finden ist.
Der Mensch sehnt sich nach einer, wie auch immer gearteten, Hoffnung auf Besserung und wenn diese dann eintritt, hat er Angst, dass alles doch wieder schwinden könnte. Das bedeutet auch, dass Leichtigkeit und Schwere in einem Herzen sehr nah beieinander liegen.
Aber das erst macht uns wohl zu Menschen.
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FAZIT: Trotz, oder gerade wegen seiner Themen wirkt „Willow Parlo“ sehr intuitiv. Die persönliche Utopie darf als Traum immer existieren und rückt auch immer wieder in den Fokus, gleichzeitig liegt dieser EP eine Schwere zugrunde, die das gesamte musikalische Konstrukt sehr fragil erscheinen lässt. Damit haben WILLOW PARLO auch eine Art Beschreibung des aktuellen Zeitgeistes geschaffen, denn die Grenze zwischen der Hoffnung auf eine Utopie und dem Erschaffen einer Dystopie ist in den letzten Jahren immer schwammiger geworden. Und doch wollen die Musiker am Ende Hoffnung spenden, sonst würde ihre Musik wohl kaum so angenehm verträumt klingen.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.10.2022
Björn
Noemi Bunk
Marko
Jan
popup-records
20:26
29.07.2022