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Korsakow: Anleitung zum Freudentanz

Stil: Deutscher Punkrock, Hardrock, Indie

Cover: Korsakow: Anleitung zum Freudentanz

Wer, bitteschön, braucht tatsächlich ein Anleitung zum Freudentanz?
KORSAKOW natürlich!
Auch wenn die Zeichen derzeit nicht sonderlich gut stehen, wenn man mit einem russisch klingenden Namen punkig über Freudentänze sinniert, so ist das im Falle des Düsseldorfer Punk-Quintetts KORSAKOW, das konsequent auf deutsche Texte zwischen Feinfühligkeit und Provokation setzt, doch durchaus ein Genuss.
Wichtig hierbei: Unbedingt alle alten wie neuen Vorurteile ausblenden und genau zuhören bei dem, was da alles so auf „Anleitung zum Freudentanz“ passiert.

Am Ende jedenfalls werden alle Freunde von den BROILERS bis MONSTERS OF LIEDERMACHING und MASSENDEFEKT sowie die nun schon uralten Hasen von SELIG sicherlich ihre musikalische wie intellektuelle Freude an dem bereits vierten Album von KORSAKOW haben.

Ein Blick auf das Cover verwundert hierbei schon, denn dieses fischige Motiv lässt kaum vermuten, dass uns, wenn die Scheibe erstmal auf dem Plattenteller rotiert, hier Indie- und Punk-Rock mit deutschen Texten (größtenteils) entgegenballert. Noch dazu genügt den fünf hartgesottenen Jungs nicht etwa wie die drei goldigen Fische auf ihrer LP-Hülle (zwei vorn, einer hinten) im Wasser zu schwimmen, sondern sie wollen gleich Jesus spielen und darüber laufen, wie sie es im Album-Opener „Über Wasser gehen“ unmissverständlich klarmachen: „Mein Verhalten engelsgleich / Denn mein Konsum macht Menschen reich / Kann nur eines nicht verstehen / Warum kann ich nicht über Wasser gehen“.

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Scheiße, verdammt nochmal.
Wenn das eben nicht klappt, dann bleibt spülwasserrauschend nur die Erkenntnis: „Ja, die besten Partys steigen sowieso auf'm Herrenklo!“
Also: Wenn dieser Wasser-Gehversuch nicht funktioniert, dann verdrücken sie sich ein wenig tothosig mit lebendig heruntergelassener Hose und Retro-Perücke eben auf's „Herrenklo“ und lassen es dort nochmal ordentlich krachen, bevor der Hörer danach an seinen Plattenspieler gehen muss, um die LP-Seite zu wechseln, auf der uns ein mehr als ungewöhnlicher „Korridor“ erwartet, der mit der nicht wirklich als freundlich empfundenen familiär Empfehlung besticht: „Er ist ein Arschloch / Sie macht dir nur was vor / Es ist ein Teufelskreis / Wir sind für dich da“.

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Leider schwenkt das Album manchmal von drollig in prollig ab und klingt mitunter auf krampfhaft lustig getrimmt. Mehr Säufer- und Hochprozent- als Freigeist-Mucke. Nun ja – gerade Düsseldorf und dieser Schicki-Micki-Ruf braucht wohl doch viel mehr KORSAKOW als KORSAKOW hier zu bieten haben, die schließlich vor 11 Jahren mit „Ohne uns“ die ultimative Fortuna-Düsseldorf-Fan-Hymne beisteuerten.

Doch statt Hymne gibt’s diesmal massive Kritik an den bestehenden Zuständen, wenn mit dem metallischen „Uns kriegt ihr nicht“ und dem dazugehörigen Video sogar explizit darauf verwiesen wird, dass hier auf „Staatsgewalten und Menschen“ aufmerksam gemacht wird, die „eine freie Meinungsäußerung nicht zulassen“ und den „innerlichen Konflikt mit dieser Weltanschauung“ widerspiegelt: „Also komm mir nicht mit Stolz oder Ehre / Ein Fuck auf deine braungebrannte Sphäre“. Genau hier erfahren wir dann auch, woher die Idee zum Albumtitel kam: „Liebe, Frieden, Toleranz / Die Anleitung zum Freudentanz“.
Passt das wirklich so unmittelbar zusammen?

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Mit aller Ironie ist dann aber umgehend beim Wechsel der Plattenseite Schluss. Denn hier werden die Themen durchgängig finsterer, die Atmosphäre verbitterter, die Musik bedrückender sowie ruhiger und die Abrechnung mit den Arschgeigen unserer Zeit unerbittlicher. Deswegen endet das Album auch mit einer akustischen „Flut“-Ballade, die eigentlich in tiefer Resignation versinkt: „Vorbei gehen Tage und Stunden / Die Zeit heilt alle Wunden“, obwohl noch einen Song zuvor auf „Besser als es jemals war“ bitterböse festgestellt wurde: „Du bist ein Opfer der Gesellschaft / Du gehörst hier nicht hin / Du bist missraten, unauffällig / Du ergibst keinen Sinn...“

Selbst die Ballade „1000 Tunnel“, die sich sogar einem langsamen HipHop öffnet, lässt einen mit der Erkenntnis: „Trag den Krug so lang zum Brunnen bis er bricht / Lauf durch 1000 Tunnel auf der Suche nach dem Licht“, nicht sonderlich glücklich zurück.

So wird „Anleitung zum Freudentanz“ von KORSAKOW tatsächlich zu einem Album, das den Zeitgeist überzeugend widerspiegelt, da eben spontane Freudentänze derzeit nicht wirklich angesagt sind.

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FAZIT: In diesen finsteren Zeiten eine „Anleitung zum Freudentanz“ zu erhalten, erscheint schon ein wenig makaber oder eher ironisch. Egal! Denn das Düsseldorfer Punk-Rock-Quintett KORSAKOW meint es auf seinem aktuellen Album sehr ernst und drückt sein Anliegen in den größtenteils gelungenen deutschen Texten klar und deutlich aus. Aber auch ihr Sinn für Humor kommt dabei nicht zu kurz, zumindest wenn sie sich zu einem gemeinsamen Besuch auf dem „Herrenklo“ zusammenfinden. Die LP „Anleitung zum Freudentanz“ ist jedenfalls nichts fürs Klo, sondern macht sich bestens in jeder guten deutschsprachigen Punk-Rock-Sammlung.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.03.2023

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (22:29):
  2. Über Wasser gehen (3:20)
  3. Uns kriegt ihr nicht (3:21)
  4. 1 zu 0 (3:05)
  5. Haut ab (3:50)
  6. Digitale Welt (5:46)
  7. Herrenklo (3:07)
  8. <b>Seite B</b> (22:16):
  9. Korridor (5:06)
  10. Du bist da (4:39)
  11. 1000 Tunnel (4:47)
  12. Besser als es jemals war (4:30)
  13. Flut (3:14)

Besetzung

  • Bass

    Andy

  • Gesang

    Dirk Pitzinna, Mille, Manuel

  • Gitarre

    Mille, Manuel

  • Schlagzeug

    Börje

Sonstiges

  • Label

    Hinterhof Produktionen

  • Spieldauer

    44:45

  • Erscheinungsdatum

    25.11.2022

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