Zurück

Reviews

Mitch Ryder: Georgia Drift

Stil: Roots-, Blues-, Folk-Rock, Soul

Cover: Mitch Ryder: Georgia Drift

Mitch Ryder weilt erfreulicherweise noch unter den Lebenden und veröffentlicht ein neues Album. Seine Stimme ist brüchiger geworden, was gut zur gespielten Musik passt, die das Verlorensein, das Unstete, den Hinterhof-Blues, das alltägliche Leben in Georgia (State Of Mind), zum Nährstoff hat. Der Soundtrack zum langen Weg nach einer durchzechten Nacht heim, durch die verkommenen Viertel einer Stadt irgendwo im tiefen Süden der USA wankend. Doch „Georgia Drift“ beginnt mit einer Überraschung.

Ryder haucht steinerweichend ein Lullaby für seinen Enkel „Jack“, nur begleitet von Piano und Violine. Das ist anrührend, aber mit seiner schlichten Süßlichkeit auch gewöhnungsbedürftig. Direkt danach besinnt sich Mitch Ryder auf gut abgehangenen Rock, meist im zurückgelehnten Midtempobereich. Bewegt sich gekonnt zwischen knarzigem Sumpfblues, Folk sowie Southern Soul. Willy De Ville, Mark Knopfler und ein lässiger Gary Moore grüßen freundlich aus der Distanz. Ryders Stimme hängt immer ein wenig auf Kipp, spielt aber bis zum Ende vibrierend mit. Er beherrscht es, den alten, charismatischen Geschichtenerzähler zu geben, dem man noch gerne zuhört, wenn seine Stimme fast bricht und sich in Richtung Stille verabschiedet.

Die Ballade „Words“ ist ein bewegender Flirt mit der Vergänglichkeit, gipfelnd im gehauchten Hilferuf „Rescue me“. Hier weiß jemand ganz genau, welche Wunden das Leben schlägt. Das beschwingte „Old“ erscheint leutseliger, hat aber als Essenz ebenfalls nur zu bieten: „I ain’t old, I’m just dying.“ Der Song ist ein packender hochmelodischer Rocker, in dem einmal mehr Marcus Stiles am Klavier brilliert. Die folgende Ballade „Salvation“ ist voller beseelter Ergriffenheit. Das kann man naiv und kitschig finden, oder es einfach genießen. Denn Mitch Ryder überzeugt als Prediger beim Ritt in den Sonnenuntergang.

Weiter geht es mit „Wind“, der stetig und nicht zu wild über der Rock-Fabrik bläst. „Soul“ würde auch gut zu Achim Reichel passen. Und das ist ein Kompliment. Ein reges Soul-Blues-Rock’n’Roll-Gemisch, gut geschmirgelt. „Love“ ist zum Finale wieder eine gemütvolle Beschwörung, mit kleinem Kirmesorgel-Touch zu Beginn und Violine am Ende. Mitch Ryder hat seinen Frieden mit und in der Welt gefunden. Recht so.

<center><iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/Pw0a-XDA1g8" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen></iframe></center>

FAZIT: „Georgia Drift“ ist ein erfreuliches Alterswerk. Satter Rock, der Blues, Soul, Folk gut kennt, gelassen in sich ruht und trotzdem emotional rüberkommt. Dazwischen seelenvolle Balladen von einem großen Grantler mit viel Herzblut vorgetragen. Dem kann man selbst beim Überschreiten von Kitschgrenzen nicht böse sein. Schön, dass es Mitch Ryder noch gibt.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.03.2023

Tracklist

  1. Jack
  2. Hate
  3. Beautiful
  4. Lord
  5. Naked
  6. Mask
  7. Words
  8. Old
  9. Salvation
  10. Wind
  11. Soul
  12. Love

Besetzung

  • Bass

    Dran Lewis

  • Gesang

    Mitch Ryder, Alyssa Cone, Amber Lewi

  • Gitarre

    Dran Lewis

  • Keys

    Marcus Wiles, Lebron Arnwine, Bernie Faulkner

  • Schlagzeug

    Johnny Smith

  • Sonstiges

    Tim Starnes (harmonica, fiddle), Dran Lewis (percussion, banjo), Rachel Blackmon (violin – #12)

Sonstiges

  • Label

    BF/Buschfunk

  • Spieldauer

    43:26

  • Erscheinungsdatum

    03.02.2023

© Musikreviews.de