Nobel ist es ja schon, dass sich Künstler mit Themen wie Depressionsbewältigung und Prävention beschäftigen. Das Ganze dann auch noch mit einem reichlich bebilderten und in mehreren Sprachen geschriebenen Media-Buch, das die Themen Musik, Literatur und mentale Gesundheit anhand von Edgar Allan Poes Werk zu verbinden versucht, ist doch ein ambitioniertes Anliegen.
Diese Rezension geht aber vor allem auf die musikalische Komponente von „Poe“ ein. SHADOWHISPERS bieten reichlich theatralischen Symphonic Metal, der in vielen Teilen auch an einen Soundtrack erinnert, was im Rahmen des Projektes durchaus passend ist.
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Auch der vereinzelt auftauchende Dialog-Charakter der Vocals ist an sich nicht verkehrt und passt zum dramaturgischen Ansatz des Albums. Unter technischen Gesichtspunkten gibt es an dem Gesang von Diane Frisch auch kaum etwas auszusetzen. Die Dame klingt kraftvoll, zeigt sich dabei überwiegend von ihrer opernhaften Seite und verleiht dem orchestralen Sound damit einige grazile Momente.
Das zeigt sich u.a. in den beiden Duetten mit Adam Denlinger, der mit seinem Power-metallischen Organ für einige stimmige Kontraste sorgt, aber genau hier liegt der Hund (oder in dem Fall Poes schwarzer Kater) begraben: Fällt der männliche Gesangspart weg, erzeugt die Damenstimme, besonders an den Stellen, in denen sie kräftig agiert, doch irgendwie Zahnschmerzen.
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Kommen dann auch noch ellenlange Keyboardauswüchse dazu, wirkt das musikalische Drama an nicht wenigen Stellen zu überzeichnet, zu sehr auf die Spitze getrieben, sodass es seinen Zweck mit der Zeit etwas verfehlt. Denn auch wenn dieser schauspielerische Charakter hier und da charmant und ohne Frage handwerklich gut gemacht ist, die Emotionen bleiben völlig auf der Strecke.
Weder die Texte noch die Musik vermag irgendwelche tiefsitzenden Reize zu erzeugen. Was unter dem Gesichtspunkt eines Musikprojektes wirklich schade ist, weil der Hörer sehr schnell abschaltet. Unter dem Aspekt eines klanglichen Schauspiels funktioniert „Poe“ zwar durchaus, aber trotzdem ist die Halbwertszeit des Albums nicht allzu lang bemessen.
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FAZIT: Als Drama oder Schauspiel konzipiert ist „Poe“ sicher interessant und auch im vorliegenden Format gut umgesetzt. Als reines Musikalbum ist die Halbwertszeit dieser zweiten SHADOWHISPERS Langrille leider eher knapp bemessen. Dieser Umstand ist aber weniger dem Können der Band geschuldet, als vielmehr dem an vielen Stellen zu überzeichneten Charakter des Gebotenen. Ob das Projekt zur Aufklärung über Depressionen und deren Vorbeugung dienen kann, ist zwar fraglich, in Verbindung mit Vorträgen und dem beiliegenden Buch aber keineswegs ausgeschlossen, denn interessant ist die Aufmachung allemal.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.06.2023
Piquet Jung
Diane Frisch, Adam Denlinger
Jean-Claude Sonnen
Laurent Schleck
Tom Speller
Eigenproduktion
60:24
24.02.2023