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Interview mit HOT'N'NASTY (01.10.2021)

HOT'N'NASTY

Wenn man von wahrhaft authentischem, urwüchsigem Blues-Rock aus Deutschland spricht, welcher zugleich den Mut zum Experimentieren und zur Moderne besitzt sowie noch dazu mit zeit- und gesellschaftskritischen Texten überzeugt, dann sollte ganz oben auf der Liste aller Blues-Bands HOT'N'NASTY stehen, die Gewinner der German Blues Awards 2020, die sich vor knapp 30 Jahren nach einem HUMBLE PIE-Song benannten.

Höchste Zeit also, mal ernsthaft mit den Jungs aus dem Ruhrpott, denen allein schon durch ihre beiden Bandmitglieder aus Leipzig auch noch der Osten am Herzen liegt, (nicht nur) ein leidenschaftliches Wörtchen über die Musik (auch zu Zeiten von Corona), den Tod, das neue Album, die Texte, die Rolle der Frauen, sogar das Gendern und natürlich die Zukunft zu wechseln.


Ihr habt Euch bei Eurer Gründung vor fast 30 Jahren nach einem HUMBLE PIE-Song benannt. Wer hatte die Idee dazu und wie verlief seitdem eure Entwicklung?

Ich bin ein riesiger Humble-Pie-Fan und besitze so ziemlich alle Platten von Ihnen. Beim Hören ihrer Songs entstand dann die Idee zu unserem Bandnamen.

2011 hatten wir die besondere Ehre Clem Clempson kennenzulernen und gemeinsam den Titel Hot‘n‘Nasty mit ihm zu performen. Er hatte ja mit Steve Marriott den Song seinerzeit geschrieben und ist somit Namensgeber unserer Band. Ein toller Auftritt und ein schöner Moment in unserer Bandgeschichte.

Zur Entwicklung der Band:

Bereits zu Beginn der neunziger Jahre ging es mit Hot‘n‘Nasty los, zunächst aber noch recht langsam und noch nicht richtig ambitioniert.

So richtig gestartet sind wir dann 2003, als unser Sänger Patrick Pfau mit in die Band kam. Mit dem ersten Longplayer „Electrified“ (2005) nahm das Ganze dann Fahrt auf und wir begannen professioneller zu arbeiten. Im Laufe der nächsten Jahren nahmen wir dann die Alben „Boost“, „Dirt“ und eben das neue Album „Burn“, dass am 03.09.21 erschienen ist, auf.

Hot‘n‘Nasty kann auf eine schöne Bandgeschichte mit unzähligen Gigs in tollen Clubs und auf schönen Festivals zurückgreifen. Wir hatten das Glück, viele nette Leute kennenlernen zu dürfen. Tolle engagierte und musikbegeisterte Menschen. Veranstalter, Redakteure, Konzertbesucher und natürlich die Musiker, mit den wir die Bühne teilten oder die wir supportet haben, wie z.B. Walter Trout, Ana Popovic, Dr. Feelgood, Wishbone Ash oder Chris Farlowe. 

Es gab bei Euch einen Moment in der Band-Geschichte, in der wohl das Fortbestehen von HOT'N'NASTY auf der Kippe stand und den Ihr selber als eine 'Schockstarre' bezeichnetet: der Tod Eures ersten Sängers Patrick Pfau im Jahr 2013. Bitte erzähle uns etwas über diese bittere Erfahrung und wie Ihr dann Euren neuen Sänger Robert Collins entdecktet, der übrigens gerade erst im 'Classic Rock'-Magazin mit Bob Seger verglichen wurde. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es zwischen den beiden?

Der Tod von Patrick war der absolute Tiefpunkt in der Band-Geschichte. Der erste Impuls war das Kapitel Hot‘n‘Nasty zu beenden. Wir hatten über zehn Jahre mit Patrick gespielt und viel Zeit miteinander verbracht. Zudem waren wir eng miteinander befreundet. Der Schock saß sehr tief. Es dauerte sehr, sehr lange, um uns wieder zu erholen.

Im Laufe der Zeit erhielten wir viel Zuspruch von Leuten, die die Band gut kannten und uns motivierten doch wieder weiter zu machen. Dieser Motivationsschub brachte den ‚Zug‘ dann doch langsam wieder zum Rollen.

Ich begab mich nach Monaten wieder auf die Suche nach einem neuen Sänger. Voraussetzung für den Neustart war, jemanden zu finden, der eine außergewöhnliche Stimme besitzt, die kräftig, voluminös und bluesgetränkt ist. Das ist hier in Deutschland ein schweres Unterfangen. Wir hatte jedoch Glück und lernten 2014 Robert Collins kennen, der schon mit Musikern wie Charly T. und Raoul Walton (Ex-Westernhagen), T.M. Stevens und John Hayes (Mothers Finest) zusammengearbeitet hatte. Er passte hervorragend zu Band und wir konnten schnell wieder an den Start gehen.

Die Gemeinsamkeit beider Sänger ist, dass ihre Stimmen sehr prägnant sind und Wiedererkennungswert haben. So wie Patrick hat auch Robert eine ordentliche Röhre, die das Bluesrock-Zeug gut transportiert.

Trotzdem sind beide Stimmen sehr unterschiedlich und zeigen andere Facetten.

Auf jeden Fall gibt ‚kein besser oder schlechter‘ und das hat auch das Publikum glücklicherweise bei den ersten Auftritten mit Robert sofort widergespiegelt.




Ein weiterer extrem tiefer, schlicht beschissener Einschnitt in die komplette Kunst- und Kultur-Szene, ganz speziell in die Musik-Szene, war die Pandemie, die uns nun bereits das zweite Jahr nicht wirklich zur Ruhe kommen lässt. Wie habt Ihr diese Corona-Zeit überstanden? Wie wirkt sie noch gegenwärtig auf Euch?

Die Corona-Zeit war, wie für alle Musiker, extrem schwierig und wirkt sich natürlich noch immer aus. Wirtschaftlich gesehen ging es bei uns ganz schön den Bach runter. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir uns wieder erholen. Voraussetzung ist natürlich, dass Konzerte wieder gespielt werden können und es nicht wieder irgendwann zu einem neuen Logdown kommt. Ich kann nur hoffen, dass die Politik hier die richtigen Entscheidungen trifft.

Gab es auch positive Erfahrungen, die Ihr während der Pandemie-Zeit sammeln konntet?

Wir waren, als es wieder zwischenzeitlich möglich war, im Studio und haben unser neues Album ‚Burn‘ aufgenommen. Das hat wieder außerordentlichen Spaß gemacht.

Das neue Material dann aber nicht live darbieten zu können, war hin-gegen eine bittere Pille.

Das Positive an der Pandemie im Allgemeinen war sich zu ‚entschleunigen‘. Plötzlich stand Zeit zur Verfügung. Zeit zur Entspannung und zur Neuentdeckung von Dingen, die aus dem Focus geraten waren.

In dieser Zeit habt Ihr sogar den 'German Blues Award' in der Kategorie 'Band' gewonnen. Kam der Preis überraschend für Euch und wie verlief denn die Übergabe?

Wir wussten irgendwann natürlich, dass wir mit vier anderen Bands für den GBA 2020 nominiert waren, blieben aber bis zur Auswertung gespannt, da die Konkurrenz sehr groß war. Der Gewinn des Preises war dann eine tolle Bestätigung für unsere Arbeit.

Die Preisverleihung konnte leider coronabedingt nicht wie gewohnt im Rahmen eines großen Festivals in Eutin stattfinden. Das war natürlich schade.

Ganz wichtig für jeden Musiker – zumindest jeden 'echten', der sich nicht als 'Casting-Seppel' bei schwachsinnigen Talente-Shows zur Musik-Marionette machen lässt – sind die eigenen Einflüsse. Wo liegen die bei Euch? Also, welches sind Eure wichtigsten Bands und Alben. Aber bitte nicht nur nennen, sondern auch eine kurze Begründung für Eure Entscheidung hinzufügen!

Ich wurde mit der Rockmusik aus den Siebzigern sozialisiert. Led Zeppelin, Deep Purple, Black Sabbath etc. Zudem bin ich mit der Generation der Guitar-Heroes aufgewachsen: Hendrix, Robin Trower, und Frank Marino (Das erste Live-Album mit Mahogany Rush zählt zu meinen All-Time-Favourites!).

Über ZZ Top, Johnny Winter und S.R. Vaughan bin ich dann zu den Bluesklassikern gekommen: B.B. King, Albert King, Freddie King und Muddy Waters, mit denen ich mich dann eine Zeit lang intensiv auseinandergesetzt habe. Es gibt natürlich auch noch ‚neuere‘ Einflüsse, die mich gerade als Gitarristen immer wieder neu inspirieren. Dazu zähle ich Musiker wie Philip Sayce, Doyle Bramhall II und auch Brad Paisley, den ich als Country-Gitarristen tief bewundere.

Robert ist, ähnlich wie ich, mit Rockmusik aus den Siebzigern und Achtzigern aufgewachsen. Er hat sich aber eher weniger mit Blues auseinandergesetzt. Dies hat sich natürlich geändert, nachdem er bei uns eingestiegen ist.

Dominique und Jacob haben wiederum ganz andere Einflüsse. Sie sind mit der Musik aus den Achtzigern und Neunzigern aufgewachsen, sind aber durchaus vertraut mit den klassischen Rocksachen.

Bedingt durch ihr Studium in Leipzig haben sie sich darüber hinaus intensiv mit Jazz auseinandergesetzt und in den unterschiedlichsten Jazzformationen zusammen gespielt.

Ihre musikalischen Einflüsse und ihre spielerische Virtuosität haben enormen Einfluss auf die Band und lassen auch den Standard-Blues Shuffle interessant klingen.


Dann lass uns jetzt endlich zu Eurem aktuellen Album 'Burn' kommen. Soweit ich weiß, wurdest Du als junger Bursche musikalisch neben Led Zeppelin besonders auch über Deep Purple sozialisiert. Euer Album trägt nunmehr genau den gleichen Titel wie das 1974er-Album von Deep Purple. Absicht oder Zufall?

Der Titel ‘Burn‘ soll in erster Linie widerspiegeln, dass wir für unsere Musik ‚brennen‘ und gerade auch live mal ordentlich was ‚abfackeln‘ können ;).

Der Albumtitel ist nicht unbedingt eine Reminiszenz an eine der wichtigsten Rock-Gruppen aus den Siebzigern, aber ich muss gestehen, dass der Titel ‚Burn‘ von Deep Purple in kompositorischer Hinsicht eines meiner Favoriten in der Rockgeschichte ist.

Wo habt Ihr das Album aufgenommen und war Euch dabei etwas besonders wichtig?

Wir haben das neue Album wieder bei Martin Meinschäfer in den Megaphon-Studios in Arnsberg aufgenommen. Der ist ja mittlerweile bekannt durch die Produktionen für Henrik Freischlader, Kai Strauss, Tommy Schneller und Layla Zoe.

Wichtig war, wie auch bei den vorherigen Produktionen, dass unserer Sound durch die Aufnahmen im Studio nicht verfälscht wird und ‚erdig‘ bleibt. Zudem war der Anspruch, einen warmen, transparent und analog klingenden Gesamtsound zu erhalten. Dies ist Martin Meinschäfer wieder außerordentlich gut gelungen. Zudem hat er wieder einige Ideen zu den Songs mit einfließen lassen und zum ersten Mal zu einigen Songs Chöre beigesteuert.

Auffällig ist, dass Ihr Euch grundsätzlich – und natürlich auch auf 'Burn' – musikalisch nicht wirklich festlegen lasst. Neben dem grundierenden Blues-Rock gibt’s genauso traditionellen Blues, straighten Rock, Southern und sogar progressive Einflüsse zu hören. Warum wählt Ihr diese umfangreiche Bandbreite und habt Ihr keine Angst, Euch dabei zu verzetteln?

Nein, absolut nicht. Die Vielseitigkeit in dem Genre Blues-Rock ist gewollt und gibt unser musikalisches Spektrum wieder. Für uns ist es genauso interessant, straighten Blues-Rock wie auch ruhige Slow-Blues-Nummern und Balladen zu spielen oder eben auch Southern- und Funkeinflüsse zu integrieren.

Vor allem ist der Anspruch der Band, die Hörer nicht zu langweilen und immer wieder etwas Interessantes und Neues zu bieten. 

Doch nicht nur in puncto Musik setzt Ihr auf Vielseitigkeit, sondern auch – und das ist für viele Bands sehr ungewöhnlich – auf absolut hochwertige Texte, die mitunter sehr heiße Eisen aufgreifen. Wie entstehen Eure Texte und welche Wertigkeit haben sie aus Eurer Sicht im Kontext mit der Musik?

Ich habe mich vor langer Zeit davon verabschiedet, Blues-Texte aus vergangenen Zeiten zu adaptieren oder verfremdet wiederzugeben. Ich finde das auch nicht besonders reizvoll, über das zu schreiben, was andere Musiker in einer völlig anderen Ära (und unter völlig anderen Bedingungen) erlebt haben. Ohne natürlich ihre Verdienste und ihre Einflüsse damit schmälern zu wollen.

Für mich ist es authentischer, über die Dinge zu schreiben, die einen selber bewegen. Und dazu gehören die erlebten Dinge im Musikgeschäft, aber auch persönliche Erlebnisse und natürlich auch die aktuelle politische Situation, die einen ja immer wieder beschäftigt.

Die Texte haben für mich eine hohe Wertigkeit und ich freue mich sehr, dass sich auch einige Musikhörer dafür interessieren und sich damit auseinandersetzen. 

Auf der CD-Version gibt es einen Bonus-Song, den ihr logischerweise nicht auf Vinyl gepresst habt: „Stacy Lee“. Doch schon hierbei gibt es zwei Besonderheiten, die herausstechen. Dieser Song ist nicht – wie sonst bei vielen anderen Alben mit Bonustiteln – am Ende zu finden, sondern an vorletzter Stelle. Und er beschäftigt sich mit der holden Weiblichkeit, die Ihr in Zeiten der „Me Too“-Bewegung einfach als Bonus für die LP 'abschreibt'. Nicht dass Ihr da noch Probleme bekommt. Also, warum gibt es den Titel nur als CD-Bonus und worum geht’s darin genau. Und was haltet Ihr eigentlich vom Gendern?

Das Weglassen des Tracks auf der Schallplatte hat eine ganz pragma-tische Begründung. Hätten wir alle Titel auf der Schallplatte belassen, hätte die Soundqualität darunter gelitten. Da wir das nicht wollten, waren wir gezwungen einen Titel auf der Platte zu kürzen. Das war ein schwieriges Unterfangen, da wir hinter allen 13 Tracks des Albums stehen. Aber letztendlich mussten wir uns leider für eine Nummer entscheiden.

Der (zur Abwechslung mal) nicht ganz Ernst gemeinte Text von ‚Stacy Lee‘ ist als Hommage an die holde Weiblichkeit zu verstehen. Der im Text erwähnte Protagonist ist dabei nicht nur von einer Dame verzückt, sondern unterliegt immer wieder den Reizen und vor allem den tollen Eigenschaften der weiblichen Charaktere. Leider bleiben diese unerreichbar für ihn und so trifft er sie lediglich in seiner Fantasie.

Hinsichtlich des Genderns bleibt die Frage, ob dieser Sprachaspekt wirklich eine entscheidende Veränderung in der Gleichberechtigung bringt. Die Frage ist doch viel mehr, warum Frauen für die gleiche Arbeitsleistung immer noch ungleich bezahlt werden und sie immer noch viel zu wenig in führenden Postionen in der Arbeitswelt berücksichtigt werden, obwohl sie mitunter eine bessere berufliche Qualifikation haben, als mancher der männlichen Kollegen.

Das ist ja nun schon seit Jahren Thema, aber anscheinend möchte das die politische Macht nicht wirklich verändern. 

Könntet ihr euch eigentlich vorstellen, da Ihr so großen Wert auf die Texte legt, auch mal einen Song in eurer Muttersprache Deutsch aufzunehmen, so wie es eine der wirklich besten Blues-Rock-Bands Deutschlands – aus der ehemaligen DDR – ENGERLING bereits auf ihren Alben grandios verwirklicht haben?

Derzeit könnten wir uns noch nicht vorstellen, einen Text in Deutsch zu verfassen. Ich persönlich betrachte das auch als schwieriges Unterfan-gen, da es doch einige Beispiele dafür gibt, dass Blues mit deutschen Texten nicht immer richtig funktioniert und das ‚der Schuss auch ziemlich nach hinten losgehen kann“. Aber es gibt auch positive Beispiele und daher sag ich mal: „Sag niemals Nie“. Es wäre auf jeden Fall eine ziemliche Herausforderung.

Hole doch mal die Glaskugel raus und wirf einen Blick in die Zukunft. Was siehst du da im Falle von HOT'N'NASTY? 

Mir schwebt derzeit als Nächstes ein Live-Album vor. Viele Fans und Konzertbesucher haben bereits danach gefragt. Ich glaube, das steht jetzt mal an.

Zudem sind nach der letzten Studioproduktion schon wieder einige neue Songs entstanden, die natürlich auch veröffentlicht werden wollen.

Eine richtig gute Videoproduktion, begleitend zu einem neuen Album, fände ich darüber hinaus sehr reizvoll und interessant. Dafür reichte beim aktuellen Album leider das finanzielle Budget nicht mehr aus.

Am Ende des Interviews lasse ich meinen Gesprächspartner gerne noch einen für Ihn sehr wichtigen Leitsatz als eine Art Botschaft an unsere Leser weitergeben: Welcher ist deiner?

Lass dich nicht verbiegen!


Thoralf Koß - Chefredakteur (Info)
Alle Reviews dieser Band:
  • Hot'N'Nasty - Dirt (2018)
  • Hot'N'Nasty - Burn (2021)