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Amphi Festival 2012 - Sonntag - Köln, Tanzbrunnen - 22.07.2012

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Amphi Festival 2012, der zweite Tag. Zuvor ein kleiner Rückblick auf die gestrige Heimfahrt mit der deutschen Bahn. Während sich im Tanzbrunnen die Gothicszene feierte, spielte nämlich im Kölner RheinEnergieStadion eine Band, die vor längerer Zeit auch mal zu dieser Szene gehörte, inzwischen aber komplett im Mainstream angelagt ist - klar, die Rede ist von UNHEILIG. So kam es, dass der Zug in Richtung Düsseldorf mit jeder Menge Besucher eben dieses Konzertes gefüllt war. Und es war schon... nun ja... erschreckend, welches Publikum der Graf inzwischen zieht. Dass seine Musik gerne mal für Trailer bei RTL2 verwendet wird, hat seine Wirkung jedenfalls nicht verfehlt.

Eine weitere Galerie mit Impressionen vom Amphi Festival 2012 gibt es bei Facebook oder bei Flicker.  

Doch zurück an den Tanzbrunnen. Der ist schon zur Mittagszeit bestens gefüllt und da die Sonne vom Himmel brennt, sind die Schattenplätze unter den Pilzen vor der Hauptbühne schnell ausgebucht. Ein kleiner Stau auf der Autobahn verhindert, dass von LORD OF THE LOST Fotos aus dem Graben gemacht werden können, der pomadige Gothic Rock der Band jagt mich jedoch auch schnell zu einer Runde über das Gelände. Solar FakeWeiter geht es auf der Hauptbühne dann mit SOLAR FAKE. Sven Friedrich, ansonsten Sänger bei ZERAPHINE, ist zum zweiten Mal mit seinem Electro-Projekt beim Amphi Festival am Start und präsentiert mit seiner angenehmen Stimme zum größten Teil Songs seines zweiten Albums "Frontiers", die ein bisschen härter ausfallen, als das Material des Debüts "Broken Grid", von dem nur das schöne "Here I Stand" gespielt wird. Dazu tänzelt er wie immer gut gelaunt über die Bühne und bekommt reichlich Applaus vom Publikum. 

Whispers In The ShadowIm Staatenhaus ist es zunächst erschreckend leer, als WHISPERS IN THE SHADOW in ihr Set starten. Offenbar sind nicht allzu viele Besucher mit der österreichischen Band, die schon sieben Alben veröffentlicht hat, vertraut. Frontmann Ashley Dayour kommt mit Huf auf die mitunter grell beleuchtete Bühne und begleitet die Songs mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik. Auch die anderen Musiker an Bass und Gitarre sind sehr agil und legen sich ins Zeug, der recht harte, gleichzeitig atmosphärische Gothic Rock ist jedoch für das müde Publikum eher schwer verdaulich. Dementsprechend begrüßt der Sänger die Zuschauer lakonisch zur "breakfast show", die aus acht Songs besteht. Letztlich kann man der Band jedoch keinen Vorwurf machen, denn der Auftritt ist insgesamt recht gelungen, auch wenn das Songmaterial ein bisschen Unverkennbarkeit vermissen lässt.

The OtherAnders sieht es bei den Horrorpunks von THE OTHER aus, die danach für Gruselstimmung sorgen. Die hübsch mit Kerzenständern, Totenköpfen und Kathedralenmauern dekorierte Bühne passt natürlich bestens zum Sound der Band, die spärliche Beleuchtung, die zumeist von hinten kommt, sorgt ebenfalls für Düsternis. Mit dem starken neuen Album "The Devils You Know" in der Hinterhand legt die Band sich mächtig ins Zeug, hat dabei aber leichte Tonprobleme. Der Sound ist allgemein ziemlich polterig, im matschigen Gitarrensound gehen zudem die Leadharmonien verloren. Besser sieht es beim Gesang aus, sowohl die Stimme von Frontmann Rod Usher, als auch die Backing Chöre klingen prima, so dass man die Songs auch gut auseinander halten kann. 14 Tracks stehen auf der Setlist, fünf davon vom aktuellen Album, darunter auch das starke "Take You Down" und der Ohrwurm "Fright Night". Zwischendurch geht es "Back To The Cemetary", danach stellt man fest: "Der Tod steht dir gut". Eine Band wie THE OTHER steht auch dem Amphi Festival gut zu Gesicht und ist eine gelungene Abwechslung im Programm. 

StahlzeitKommen wir zum Tiefpunkt des Festivals in Form einer Band, die sich STAHLZEIT nennt und nichts anderes ist, als eine RAMMSTEIN-Coverband. Braucht es das wirklich auf einem solchen Festival? Es gibt doch genug Bands in der Szene, die mit erstklassigem eigenen Material überzeugen, warum also so ein Act? Klar, die Songs von RAMMSTEIN erfreuen sich höchster Beliebtheit, was heute auch daran sichtbar wird, dass das zahlreich vor der Bühne versammelte Publikum die Songs lauthals mitsingt. STAHLZEIT spielen die Nummern 1:1 nach, zünden kleinere Pyros und Feuereffekte und versuchen auch, die Posen der Originalband nachzuahmen. Das wirkt besonders beim Keyboarder aufgesetzt und unecht, wirklich authentisch wirkt letztlich aber keiner der Protagonisten. Eine Band fürs Sommerfest eines Bikerclubs, aber für ein solches Festival in meinen Augen völlig verzichtbar und unnötig.

Angesichts der deftigen Sonneneinstrahlung ist ein Besuch im Theater des Tanzbrunnens eine willkommene Abwechslung. Dort stehen die vier Damen von EKLIPSE auf der Bühne. Damen? Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass die Streicherinnen aus Russland offenbar jünger sind, als die heißen Promofotos vermuten ließen. Russland? Dafür ist die Ansage auf Deutsch von einer der vier Mädels aber ganz schön akzentfrei... nun ja, ich hatte von Anfang an die Vermutung, dass das Marketing von EKLIPSE es mit der Wahrheit eher semigenau nimmt und das scheint sich zu bewahrheiten. EklipseSei's drum, an ihren Instrumenten sind Mädels jedenfalls talentiert und fiedeln sich gekonnt durch ihre Interpretationen bekannter Hits aus Pop und Rock. Das Publikum lauscht andächtig, ich jedoch habe Hummeln im Hintern und verlasse das Theater nach ein paar Songs wieder, zumal mir eine liebe Bekannte über den Weg läuft und somit erst einmal die Pflege von Sozialkontakten im Vordergrund steht. So werden THE CRÜXSHADOWS und MONO INC. lediglich mit einem Ohr wahrgenommen, was jedoch völlig ausreicht.

Conjure OneDie wohl niveauvollste musikalische Darbietung des ganzen Festivals findet im Staatenhaus mit CONJURE ONE statt. Das ist eines der Projekte von Rhys Fulber, den man natürlich von FRONT LINE ASSEMBLY (die den diesjährigen Auftritt bekanntlich abgesagt hatten) und DELERIUM, aber auch als Produzent von harten Bands wie FEAR FACTORY und PARADISE LOST kennt. CONJURE ONE ist musikalisch recht ruhig gehalten, atmosphärische, trippige Electro- und Ambientklänge vermischen sich mit überdeutlichen Weltmusik-Einflüssen. Während Fulber an seinem Pult die Knöpfchen dreht, steht auf der Bühne eine Sängerin - ist es wirklich Leah Randi, die da mit adretter Frisur und schwarzem Kleid steht? - und begleitet die Soundscapes mit ihrer schönen Stimme. Fulber hat sich nicht nur Songs von CONJURE ONE selbst vorgenommen, sondern auch abgeänderte Versionen von DELERIUM- und FLA-Songs. Die wirklich schön zu hörende Musik ist jedoch eher etwas für Kenner und Genießer und nichts für das Partyvolk, so dass die Stimmung entsprechend eher andächtig bleibt.

CONJURE ONE waren somit die Ruhe vor dem Sturm, der danach durch das Staatenhaus fegen wird. Wer COMBICHRIST kennt, weiß eigentlich, was einen erwartet und doch ist der Sturm wesentlich heftiger als erwartet. Das Staatenhaus ist natürlich brechend voll, zunächst ist bei den Zuschauern aber Geduld angesagt. Wegen technischer Probleme verzögert sich der Beginn des Auftritts, ein Techniker läuft hektisch auf der Bühne auf und ab und es dauert fast eine Viertelstunde, bis der Introsong losdudelt. CombichristUnd dann bricht das Chaos aus. Mit "What The Fuck Is Wrong With You?" starten COMBICHRIST ins Set und der Titel ist Programm - und offenbar vor allem auf sich selbst bezogen. Andy La Plegua kommt im Bärchen-Kostüm auf die Bühne, seine Keyboarder als Tiger und Pinguin. Der Drum-Irre Joe Letz schnappt sich erstmal eine Trommel und springt in den Fotograben, um die Trommel vom Publikum halten zu lassen und darauf herumzukloppen. Danach geht es wieder auf die Bühne, wo ein munteres Trommelwerfen los geht. Wie die Wahnsinnigen springen COMBICHRIST über die Bühne, jeder brüllt mal ins Mikrofon - was für ein herrliches, adrenalingeschwängertes Chaos. Nachdem der Song verklungen ist, bauen die Roadies die Bühne erst einmal so schnell es geht wieder zusammen, was sich aber als vergebliche Liebesmüh erweist.

CombichristDenn auch im weiteren Verlauf hat Joe Letz sichtbaren Spaß daran, seine Trommeln immer wieder über die Bühne zu werfen und immer wieder rennt der Roadie hin und stellt sie wieder auf, dabei immer darauf achtend, nicht von irgendeinem anderen Teil getroffen zu werden. Inzwischen haben COMBICHRIST auf der Bühne auch einen Gitarristen dabei, der dem Sound eine noch rockigere Note verleiht, zudem passt er mit seiner MARILYN MANSON-Optik auch bestens zu den Chaoten. Die haben sich inzwischen aus ihren Kostümen befreit, das Energielevel des Auftritts bleibt aber superhoch. Nach "Blut Royale" gibt es tempomäßig eine erste leichte Verschnaufpause mit "Deathbed", bevor dem Publikum wieder alles abverlangt wird, denn es folgen "Get Your Body Beat", "Electrohead", "Shut Up And Swallow" und "Fuck That Shit", bei dem die Leute dazu aufgefordert werden, alle Mittelfinger in die Höhe zu recken. Ein schönes Bild. Sowohl musikalisch, als auch vom Energielevel her sind COMBICHRIST die Rock'n'Roll-Band des Electrogenres schlechthin, liebenswerte Wahnsinnige, die auf der Bühne ihren Heidenspaß haben und das Publikum dementsprechend mitreißen. Nach 13 Songs ist dann Schluss und COMBICHRIST stehen klar als Gewinner des Festivals fest. Geile Show, ohne wenn und aber.

Project PitchforkBevor es für den Schlussact wieder zurück ins Staatenhaus geht, ist frische Luft schnappen angesagt. Dabei hört man ein paar Töne des Headliners auf der Hauptbühne, nämlich AND ONE, deren Frontmann Steve Naghavi jedoch gesundheitlich angeschlagen ist, was man seiner Stimme deutlich anhört. Wie üblich spielen AND ONE auch "Timekiller", den größten Hit von PROJECT PITCHFORK, die im Staatenhaus für ein würdiges Ende des Amphi Festivals sorgen. Optisch hat man mit großer LED-Aufwand ordentlich aufgefahren, zudem gibt es gleich zwei Schlagzeuge auf der Bühne. Die Beats werden tatsächlich von zwei Drummern komplett live gespielt, was einen interessanten, lebendigen Sound erzeugt. Dafür gibt es keine Live-Gitarre mehr, seit Carsten Klatte ausgestiegen ist. Sänger Peter Spilles sieht mit Zottelfrisur und blau-weißer Farbe im Gesicht aus wie immer und krächzt genauso unvergleichlich wie immer ins Mikrofon, erweist sich zudem wieder als agiler und souveräner Frontmann. Musikalisch gibt es einen Querschnitt durch das gesamte Schaffen der Band, angefangen bei "K.N.K.A." bis hin zu Songs des aktuellen Albums "Quantum Mechanics", gekrönt natürlich vom recht früh gebrachten "Timekiller", "Steelrose", "Fire & Ice" und "Souls".

Und damit ist das - wie eigentlich immer - gelungene Amphi Festival 2012 auch schon wieder vorbei. Klar ist auch, dass ich bei der neunten Auflage im 2013 wieder dabei sein werde, denn da stehen mit FIELDS OF THE NEPHILIM eine meiner absoluten Lieblingsbands wieder auf dem Programm. Außerdem: ALIEN SEX FIEND, AGONOIZE, PETER HEPPNER, LETZTE INSTANZ, WELLE: ERDBALL, UMBRA ET IMAGO, TANZWUT, DE/VISION, FAUN, GRENDEL, THE BEAUTY OF GEMINA, SANTA HATES YOU, XOTOX und FABRIKC. Wir sehen und am 20. und 21. Juli 2013.

Andreas Schulz (Info)

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Live-Fotos

Amphi Festival 2012 - Sonntag Amphi Festival 2012 - Sonntag Amphi Festival 2012 - Sonntag
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