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Interview mit Assimilation (18.04.2017)

Assimilation

„Klasse Death Metal, der sich dem grässlich inflationären Durchschnitt der Newcomer in diesem Bereich weit, weit entzieht. ASSIMILATION gehört die Szene der Zukunft und folgen gleich auf HORRENDOUS, die Spitze der jungen Wilden.“, lautete das Urteil von musikreviews.de-Rezensent Andreas Schiffmann zum Debütalbum „The Laws Of Power“ der kanadischen Old School-Deather. 

In diesem mit vielen Musik-Empfehlungen gesegneten Interview zeigt Sänger und Gitarrist Jesse Jardine unter Anderem, wo die Schnittstelle zwischen Death Metal und Rap liegt, dass eine „Früher war es besser“-Attitüde nicht zwangsläufig unreflektiert und aus Überforderung geboren sein muss, und dass man auf Konzerten am besten Kniebeugen machen sollte.

 

Euer Debüt-Album „The Laws Of Power“ ist seit dem 17. März zu haben – wie fallen die Reaktionen aus? Kümmert es Dich überhaupt, was die Leute über ASSIMILATION schreiben/sagen?

Die Reaktionen waren, gelinde gesagt, gemischt, was zu erwarten war. Heutzutage haben viele Leute einfach keinen Sinn mehr für das Old-School-Zeug der frühen 90er: Sie sind nicht damit groß geworden, keiner ihrer Freunde hört(e) solche Musik, sie haben schlicht kein Interesse.

Viele sagen: „Die Produktion ist ausbaufähig“ - ja, das liegt aller Wahrscheinlichkeit nach daran, dass wir uns für diese Herangehensweise entschieden haben! 

Der Drum-Sound wurde weder nachjustiert, noch mit Samples aufgefüllt, wir haben kein Metronom beim Aufnehmen benutzt und extrem wenig nachbearbeitet – roher ging es nicht, ohne dabei die Qualität aufs Spiel zu setzen. 

Und genau diesen Sound wollten wir von Anfang an. Jeder erwartet idiotensichere, leicht verdauliche Schema-F-Musik, aber wir machen da verdammt noch mal nicht mit!

Ob ich mich um Reviews schere? Offengestanden ja, bis zu einem gewissen Grad. Es ist schließlich schwer, die Kritik von jemandem an deiner Musik zu ignorieren, der Musik, in die du Blut, Schweiß und Tränen gesteckt hast. Im Endeffekt kriegen die meisten Kritiker eine CD auf den Schreibtisch geklatscht, die sie bis Mittag besprochen haben sollen, und schustern eine ziemlich wahllose „Kritik“ zusammen. Noch ein paar Old-School-Band-Verweise (z.B. SADUS, MORGOTH, etc.), fertig, sieben Punkte. 

Ein Typ hat uns echt eine schlechtere Bewertung verpasst, weil wir unsere EP gratis an das Album angehängt haben – er meinte, das zöge das Album raus. Achtung! Das ist nicht Teil des Albums, das du besprechen solltest!

Letzten Endes sind wir eine junge Band, niemand schuldet uns irgendwas und wir wollen uns unsere Sporen ehrlich verdienen. Aber bei ein paar Leuten kommt es doch an, und so ist es am Ende doch all das wert gewesen.

 

Ihr habt ja vor einigen Jahren als Death-/Grind-Band angefangen – was hat Euch zur stilistischen Wende veranlasst?

Dieser Sound war gar nie unser Ziel, das ist schon mal der beste Teil der Geschichte, haha. Ich bin im Frühjahr 2011 nach Vancouver gezogen, um dort mit meiner alten Band RED KHAN weiterzuspielen. Das ging mehr in die Thrash-Richtung und ich war damals Sänger und Gitarrist. 

Ich habe dann ziemlich schnell bemerkt, dass eine Menge Leute versuchten, eine Band zu gründen.

Ich habe mich dann mit ein paar Old-School-Typen zusammengetan und dabei auch einen meiner besten Freunde kennengelernt, der mich auch auf viel härtere Sachen wie die Lokalgrößen ABUSE, CRACKWHORE, SINNES, etc. gebracht hat.

Ich war schon immer mehr Fan von Thrash und frühem Death Metal, aber Brutal Death Metal begann, mich mehr und mehr zu interessieren und faszinieren. 

Wir fanden dann einen Guttural-Sänger und spielten eine Show. Der Sänger zog in eine andere Stadt, ich übernahm den Job am Mikrophon – und der Rest ist Geschichte. 

Wir haben einfach immer weiter neues Material geschrieben und das Album ist wohl das, was dabei rauskam. 

 

Was war Deine erste Begegnung mit dieser Art Musik?

Als Teenager in einer kleinen Stadt (Medicine Hat, Alberta), hörten ich und meine Kumpels ausschließlich Tapes, meist alten Heavy Metal, Thrash und Death Metal. Ich mochte schon immer Sachen wie SLAYER, CANNIBAL CORPSE, etc., aber das Album, das die Sache für mich amtlich gemacht hat, war „Blessed Are The Sick“ von MORBID ANGEL. Ich hatte es auf Band und es hat alles verändert. Ich las alle Lyrics, ich verehrte dieses Album.

In dieser Zeit ebenfalls sehr wichtig für mich waren „Once Upon The Cross“ von DEICIDE, „Blasphemy Made Flesh“ von CRYPTOPSY und „Annihilation Of The Wicked“ von NILE.

 

In Eurem Promotext schießt Ihr ziemlich heftig gegen neuere, technischere Spielarten des Death Metal. Meinst Du nicht, dass der klassische Death Metal der 90er auch nur eine technische und klangliche Weiterentwicklung der bestehenden Spielarten des Metal war?

Doch, das ist sehr richtig! Ich stimme Dir zu, Death Metal war die natürliche Weiterentwicklung von Thrash in eine neue Form, die brutaler, bösartiger und technischer war.

Kurz danach stagnierte diese Entwicklung, gefolgt von der staunenswerten Brutal-Death-Szene, die als nächstes auftauchte.

Aber, zumindest, was die Musik anbelangt, fühlt es sich so an, als fehlte einem Großteil gerade jetzt, zu dieser Zeit, eine „Seele“: Keine Emotionen, nur Brutalität und technische Versiertheit. Es regt mich weder zum Denken an, noch weckt es Gefühle in mir. Wenn Musik nicht gewisse Gefühle in einem hervorruft, dann sehe ich für mich keinen Wert darin. 

Wenn ich mir eine Band anhöre und das einzige, was ich denke, ist, „Mann, der Typ muss verdammt viel geübt haben“, dann fehlt doch irgendwas!

 

Was hältst Du für die interessanteste musikalische Entwicklung der letzten zehn Jahre?

Diese Antwort kommt jetzt ziemlich aus heiterem Himmel und wird vielleicht ein paar Leute dazu bringen, meinen/unseren KVLT-Status in Frage zu stellen, aber wie gesagt sehe ich momentan viel Stagnation in der Musik-Welt, nicht nur im Bereich des Metal. Ich spreche jetzt nicht für den Rest der Band, aber ich bin ein Riesen-Fan vom Rap der frühen 90er, speziell dieser düstere/böse/dämonische Rap, der zu dieser Zeit aus Memphis, Tennessee, kam: THREE SIX MAFIA, LORD INFAMOUS, TOMMY WRIGHT III, etc. 

Daher würde ich zurzeit auf Deine Frage antworten: GHOSTEMANE aus Florida [laut Bandcamp aus Kalifornien -Anm.]. 

Er hat in den letzten drei Jahren um die fünfzehn Alben veröffentlicht, die es alle gratis auf Bandcamp gibt. Er ist der einzige Künstler, der mir einfällt, der eine „neue“ Art von Musik entwickelt hat: Eine Mischung aus Grindcore, Death- und Black Metal und Memphis-Rap. 

Songs wie „Euronymous“ oder „John Dee“erzeugen richtig unheimliche Vibes und wurden obendrein mit unglaublich düsteren Musikvideos visualisiert.

Als ich gesehen habe, dass er ein Chuck Schuldiner (RIP)-T-Shirt  in einem seiner Musikvideos trägt, war für mich alles entschieden, haha.

Wenn Du ein gutes Beispiel davon, was ich meine, brauchst, hör Dir „Exhumed“ aus dem Album „Rituals“ an.

 

Whitney Moore von Metalsucks.net hat Death Metal mal als den „gruseligen Cousin“ des „bösen“/gefährlichen Black Metal bezeichnet – was kommt für Dich zuerst, die düstere, bedrohliche Seite der Musik, die sich nicht zuletzt in Texten und Bildern ausdrückt, oder der Funfaktor?

Schwierige Frage! Ich bin ein großer Fan von düsterer, unheilvoller Musik, aber ich brauche ein Gleichgewicht. Die Texte der Songs auf unserem Album drehen sich meistens um persönliche Stärke, Kraft, darum, sich aus Notlagen mit der sprichwörtlichen Brechstange zu befreien. Andere kommen eher aus dem Horror-Bereich, z.B. „Decapitated By Beasts“. Ich finde düstere Texte und Bilder gut, sicher, und wir wollen auch bestimmt keinen „Party-Lifestyle“ bewerben: Ich stehe voll auf Bodybuilding und Entwicklung von individueller Kraft – mir wäre es lieber, wenn unser Publikum Hühnchenbrust essen und Kniebeugen machen würde, aber ich fürchte, damit ist in nächster Zeit nicht zu rechnen…

Was nun den Funfaktor betrifft: Das hat schon hohe Priorität, ich will, dass unsere Shows voller positiver  Energie sind, mit viel Lachen zwischen den Songs, einem guten Vibe. 

Ich habe keine Lust mehr, auf bedrückende Konzerte zu gehen, wo niemand miteinander spricht und jeder nur mit verschränkten Armen dasteht, um dann rauszugehen und sich eine Packung Sargnägel reinzuziehen. Balance is key.

 

Speaking of Funfaktor: Auf Eurem fleißig gefütterten YouTube-Kanal finden sich neben Live-Clips auch Vlogs von feucht fröhlichen Campingausflügen und – ein Spendenaufruf, Eurem Drummer und „Band dad“ (?) eine PS4 per Crowdfunding zu finanzieren. Was hat es damit auf sich??

Naja, ich bin Video-Editor. Und ich habe eine Menge Ressourcen zur Verfügung, daher probiere ich viel aus. Wenn ich eine Idee habe, die lustig werden könnte, dann setze ich sie um. Und genau so ist diese Crowdfunding-Sache entstanden, die uns übrigens schon hundert Dollar eingebracht hat. 

Das meiste, was in diesen Videos passiert, ist einfach, wie wir abseits der Bühne eben sind: Wenn wir miteinander abhängen, lachen wir uns regelmäßig die Ärsche ab, wir sind alle beste Freunde.

Wir schauspielern nicht für die Kamera, wir dokumentieren nur unser alltägliches Leben. Wir sind Campen gegangen, ich hab meine Kamera mitgenommen, ein paar dämliche Clips gefilmt und sie zusammengeschnitten. Wenn Du uns begegnest, nachdem wir von der Bühne gekommen sind, werden wir höchstwahrscheinlich genau so drauf sein.

Ich finde, das fügt der Band eine neue Dimension hinzu, so sind wir eben abseits der Bühne: Wir wollen Spaß haben. 

Aber wenn wir auf den Brettern stehen und es Zeit für die Show wird, dann wirst Du ein ganz anderes Monstrum kennenlernen!

 

Würdest Du Youtube/Bandcamp usw. gegen eine florierende Tapetrading-Szene tauschen?

Hmm, da bin ich mir nicht sicher. Einerseits klingt Tapetrading nach einer tollen Erfahrung, aber nachdem ich mit 26 Jahren noch ziemlich jung bin, habe ich es nie am eigenen Leib erlebt. Die Mystik, einfach ein Tape in die Hand zu bekommen und von der Band nichts als um die Musik zu wissen, hört sich nach einer geilen Erfahrung an, aber es ist heute einfach nicht mehr möglich, wo man alle Informationen immer zur Hand hat. 

Andererseits kann man innerhalb von dreißig Sekunden jede Musik von jeder Band aus jedem Jahr finden; aus dieser Perspektive betrachtet scheint es heute schon besser als früher zu sein. Ich denke nicht, dass irgendjemand ein neues Modell erfunden hat, wie man per Tapetrading erfolgreich sein kann. Daher versuchen wir, neue Sachen auf dem Feld der sozialen Medien auszuprobieren.

Labels funktionieren und operieren nicht mehr so wie früher. Die Band selbst muss bereit sein, ihre Musik zu promoten, muss bereit sein, sich selbst zu verkaufen. 

Was für eine Band, die bereit ist, diese Arbeit zu leisten, nicht notwendigerweise schlimm ist.

 

Was ist für Dich das perfekte Death/Thrash-Album? 

Schwierigste Frage bisher! Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Du den besten Mix aus Thrash und Death meinst und nicht nur das beste Death Metal- ODER das beste Thrash-Album. 

Meine Wahl wäre notwendigerweise „Slaughter In The Vatican“ von EXHORDER. Es hatte einen immensen Einfluss auf meinen Riffing-Stil und meine Vocal-Technik. Es freut mich, dass ihnen in letzter Zeit ein bisschen mehr Anerkennung zuteil wird. Ein knapper zweiter Platz wäre ein Album, das ich erst kürzlich entdeckt habe, von dem ich aber geradezu besessen bin: „Fatal Exposure“ von CHEMICAL BREATH. 

Wärmstens empfehlen kann ich außerdem OPPRESSOR, eine meiner absoluten Lieblingsbands, hör Dir mal „Solstice Of Oppression“ an! 

Eins noch als Zugabe: „Idolatry“ von DEVASTATION – diese vier Alben sind essentiell für jeden Death/Thrash-Fan.

 

Ihr habt ja einige Line-Up-Wechsel hinter Euch – hat das die Ausrichtung, das „Gesicht“ der Band irgendwie verändert? Wie stehen die Zeichen für die Zukunft?

Oh ja, Line Up-Wechsel… Ein notwendiges Übel, wie es scheint. Es lief im Grunde darauf hinaus, Leute zu finden, die auf einer Wellenlänge lagen, bereit waren, sich zu engagieren, und die Band über alles andere zu stellen, über ihre Beziehungen, Freunde, Jobs und alle anderen Verpflichtungen. 

An dem neuen Material, an dem wir zurzeit arbeiten, schreiben wir mehr als eine Band. Wir sind eine geschlossene Einheit, die sich in eine inzwischen ein wenig genauer fokussierte Richtung bewegt. Jeder hat wirklich sein volles Potential erreicht, daher prophezeie ich ein wirklich vernichtendes zweites Album!

 

Danke vielmals für Deine Zeit. Ich hoffe, Euch allen geht’s gut und freue mich, bald mehr von ASSIMILATION zu hören!

Cheers und danke für Deine Zeit. PREPARE TO BE ASSIMILATED!


Tobias Jehle (Info)
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