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Interview mit King Bathmat (22.07.2013)

King Bathmat

John Bassett - humorvoll und intelligent wie immer. Gerade hat er ein sehr gutes neues Album veröffentlicht und steht uns zum ausführlichen Beantworten aller Fragen diesbezüglich zur Verfügung.

"Legends of the slaughter of a destructive monster are to be found all over the world. The thought underlying them all is that the monster slain is preternatural and hostile to mankind." - E.S. Hartland, The Legend of Perseus (1896)

John, kann man mittlerweile mit Fug und Recht behaupten, dass KING BATHMAT eine richtige Band sind?

Ja, wir bestehen aus Bernie Smirnoff an den Drums, Rob Watts am Bass, der neu hinzugestoßen ist, David Georgiou hinterm Keyboard und mir an Gitarre sowie Mikrofon. Ich schätze, jede Band möchte sich für etwas Besonderes halten, aber ich will mir das nicht anmaßen; andere sollen darüber entscheiden. Ich will nicht herumposaunen und spiele dieses Instrument ja auch nicht. Selbst wenn ich irgendwo eins finden würde, könnte ich nicht hineinblasen, denn mir gefällt der Klang nicht.

Die neue Scheibe kommt ziemlich schnell nach "Truth Button"; habt ihr einen Lauf, oder wie?

"Truth Button" erschien digital im Juni 2012, die CD erst im Januar 2013. Letztere erhielt mehr Aufmerksamkeit in den Medien, was den Eindruck erweckt, nur sechs Monate seien seitdem vergangen, obwohl es eigentlich 13 waren. Das ist zwar immer noch ziemlich wenig Zeit für Progressive Rock, aber warum sollten wir uns mit den Standards vergleichen lassen? Wir haben viele Stunden mit dem Schreiben verbracht und die Ärmel für kurze Zeit hochgekrempelt, um die Sachen einzuspielen.

Ihr haltet euch weitgehend aus inzestuösen Szenen, sei es Prog oder sonst etwas ...

Inzest is nichts, womit ich gerne in Verbindung gebracht werde. Menschen schließen sich innerhalb der Gesellschaft zu Gruppen zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, und das ist auch okay, solange der Geist dabei offen bleibt und Neulinge willkommen sind. Bloß wenn solche Gemeinsamschaften elitär werden, entstehen Probleme. Das Musikgeschäft ist ein Kollektiv verschiedener Cliquen mit loser Bindung, und einige sind derart exklusiv, dass sie allein deshalb existieren, um nur die zu fördern, die ohnehin schon begünstigt sind, sodass dieser oder jener ignoriert wird. Auch gewisse Medien brüsten sich damit, ein bestimmtes Genre hochzuhalten, verkaufen aber in Wirklichkeit nur die Musik ihrer Freunde ungeachtet der Qualität von deren Zeug. Aus genau diesem Grund identifiziere ich mich nicht mit irgendeiner Szene, weil man dabei seine Ehrlichkeit kompromittieren muss.

Klare Ansage ... Ich würde gerne wieder deine Texte ansprechen, weil du eine Menge zu sagen hast wie immer. "Sentinel" verbindet die Rolle des Außenseiters mit einer Apollo-Metapher; was steckt dahinter?

Der Outsider in "Sentinel" ist jemand, der in irgendeiner Form süchtig ist oder seine Seele generell vergiftet, bis er an einen Scheideweg gelangt und eine Lösung für sein Problem sucht, etwa bei Gott als spirituellem Helfer. Apollo steht unter anderem für das Licht, wohingegen sein Bruder Dionysos der Gott des Weines, der Ekstase und Schwelgerei ist. Der Außenseiter frönt also einem dionysischen Lebensstil, doch als er sich an den Himmel wendet, hat er das Gefühl, Apollo sehe auf ihn herab und spotte seiner. Das Stück dreht sich letztlich um metaphysische Geister, Alkohol und wie Menschen den inneren Drang haben, sich beidem zuzuwenden.

Was ist das Unbekannte, das unsere Ängste bedingt, wie du im Titelstück singst?

Die Wahrheit, die wir nicht sehen. Die Geschichte wird von denen, die in ihrem Verlauf gesiegt haben, umgeschrieben und anders gestaltet, sodass Ansichten, Meinungen und Urteile entstehen, die unser Verhalten beeinflussen. Zuletzt, wenn unser sterbliches Leben zu Ende geht, fragen wir uns, was dieser ganze Nonsens überhaupt sollte, ob wir überhaupt wirklich existiert haben und diese unerheblichen Geschichten - denn mehr sind sie nicht - vielleicht besser in den Wind geschlagen hätten, genauso wie fadenscheinige Ideale. Natürlich werden wir nie erfahren, was eine wie auch immer geartete Wahrheit ist oder ob es sie überhaupt gibt.

Wie bist du überhaupt auf das Konzept zu "Overcoming The Monster" gekommen, das sich mit Ängsten und Neurosen befasst?

"Overcoming The Monster" folgt einer archetypischen Storyline, die überall in der Folklore unterschiedlicher Kulturen auftritt und praktisch die Grundlage für Geschichten wie "Dracula", "Hans und die Bohnenranke" oder die Legende von Sankt Georg beziehungsweise die "Alien"-Streifen darstellt. Meine Lesart besagt, dass die Monster, die es zu überwinden gilt, in unseren Köpfen existieren. Das Album befasst sich mit psychischen Hemmnissen, die unseren Gedanken geschuldet sind, sowohl der inneren Unsicherheit als auch bedingt durch äußere Einflüsse anderer Menschen sowie der Massenmedien, die unsere Ängst missbrauchen, um unsere Wahrnehmung zu manipulieren. Jeder Song soll ein solches Monster beschreiben. "Sentinel" betrifft ein spirituelles Monster, also Religion, Schuldgefühle und spirituelle Leere, die Furcht schürt. "Parasomnia" an zweiter Stelle hat paranormale Monster zum Inhalt, etwa die Angst vor dem Unbekannten und Unsichtbaren, während das Titelstück historische Aspekte - die Umdeutung der Geschichte - offenlegt. In "Superfluous" geht es um politische oder militärische Monster, beispielsweise Staatspropaganda, die junge, leichtgläubige Menschen anlockt, auf dass sie in unnötigen Kriegen den Kopf hinhalten. "Reality Mining" dreht sich wiederum um Technik im Zusammenhang mit der Obrigkeit, die mit deren Hilfe in unseren Privatleben schnüffelt, ehe "Kubrick Moon" das Thema Verschwörung streift: Informationsfluten im digitalen Zeitalter zum Heraufbeschwören einer Massenverwirrung.

Letzteres spannt dann also auch den Bogen zu "Truth Button" und unserer Paranoia?

Ja, der Fall Edward Snowden etwa beweist, dass dies ein ernstes Problem unserer Zeit ist und nicht bloß paranoid. Staatsüberwachung dient ausdrücklich nicht unserer Sicherheit, sondern ist dazu da, uns einzuschränken und zu kontrollieren. Riesenkonzerte nutzen Informationen, um gezielt Werbung zu machen und unsere Freiheit zu beschneiden. Bei euch in Deutschland arbeitet man an einer Technologie, die spezifische Werbung direkt ins Hirn speist, während man seinen Kopf an das Fenster einer U-Bahn lehnt, und OptimEyes ist eine Entwicklung, in deren Zug Kameras in Wandschirme gebaut werden, um die Gehwege der Menschen zu erfassen und davon ausgehend individuell zugeschnitte Werbung auszustrahlen. Diese fragwürdigen Errungenschaften stecken noch in den Kinderschuhen, aber wenn man erlaubt, den Leuten Anzeigen in den Kopf einzupflanzen: Wer weiß, was die Zukunft noch bringt?

Wie bist du auf den Titel "Kubrick Moon" gekommen - wegen der angeblich getürkten Mondlandung?

Im Lauf der Geschichte hat der Mensch seine Erfindungen stets auch wie Waffen verwenden, wodurch technologischer Fortschritt mittlerweile in erster Linie deshalb vorangetrieben wird, um sich neue Methoden der Auslöschung von Leben, des Diebstahls von Rohstoffen und so weiter nutzbar zu machen. In Kubricks "2001" wurde dies schon in den berühmten Anfangsszenen angedeutet, als der vorzeitliche Affenmenschen lernt, wie man Knochen als Werkzeuge benutzen kann. Kurz darauf verwendet er ihn zum Töten eines Rivalen und setzt sich selbst an die Spitze seines Stammes. Wenn er den Knochen dann hochwirft und zum Raumschiff übergeblendet wird, sehe ich darin eine Metapher für das, was ich gerade erklärt haben. Was wir in der Vergangenheit verinnerlicht haben, erschafft die Wirklichkeit von heute. Wir mögen weiter entwickelt sein als unsere Vorväter, sind aber emotional noch genauso gestrickt wie sie, fallen also auf die gleichen Ängste herein wie vor Jahrhunderten.

Zur Musik: Wie werdet ihr mit den üppigen Arrangements auf der Bühne fertig?

Wir treten zu viert auf, wobei Rob Watts mittlerweile Lee Sulsh ersetzt. Die mehrspurigen Gitarren im Studio werden unterdessen zu einem wesentlichen Part zusammengefügt.

Wie wichtig ist die visuelle Komponente bei alledem?

Sehr wichtig. Mit dem neuen Artwork bin ich übrigens sehr zufrieden. Tazminion Art haben es auf der Grundlage einer Medusengestalt entwickelt, die selbst versucht, ihre inneren Dämonen zu überwinden, indem sie sich eine Augenbinde anzieht, sodass sie niemanden mehr versteinern kann.

Was beeinflusst dich abgesehen von Musik noch?

Letztenendes wohl generell Menschen, die für sich selbst einstehen können und gegen den Strom schwimmen. Ich mag den verstorbenen Kabarettisten Bill Hicks sehr, auch wegen seines Lebensstils im Rahmen der Karriere, die er eingeschlagen hat. Auf Stanley Kubricks schaffen bin ich erst vor kurzem näher eingegangen und mittlerweile davon besessen. Authentizität ist für mich das Allerwichtigste, also folge ich meinem eigenen musikalischen Weg und lasse mich davon abgesehen ungern von Nichtigkeiten und materiellem Besitz leiten. Mit anderen Worten: Ich will mich nicht verkaufen, weder an Konzerne noch sonst jemanden, für den ich meine Persönlichkeit zugunsten eines Schemas, in das man mich pressen möchte, kompromittieren müsste. Man sollte sich selbst treu sein und dadurch Erfolge erzielen, also keinen Kompromiss eingehen, wie es ja auch nicht wenige Künstler getan haben, seien es Frank Zappa, Jimi Hendrix oder Kurt Cobain als musikalische Helden sozusagen.

Wie ist es allgemein um progressive Rockmusik bestellt in eurer Umgebung?

Das neue Interesse an Prog Rock beläuft sich weniger auf die lokale Ebene, sondern ist weltweit aufgeflammt, nicht zuletzt wegen des Internet. Ich spüre, dass man sich im zunehmenden Maß für unkonventionelle Musik erwärmt und an verborgenen Orten sucht, um sie zufinden.Das ist der Langeweile am Musikbusiness geschuldet, das uns vorschreibt, was wir zu hören haben.

Wie bewertet ihr das digitale Zeitalter als unabhängige Musiker?

Die Vorteile überwiegen deutlich gegenüber den Nachteilen. Probleme tun sich nur auf, wenn du auf breiter Ebene Erfolg hast und berühmt wirst. Es gab nie ein besseres Umfeld und Klima für individuell gestrickte Musik als heute, wie ich finde.

Da ihr wohl nicht von der Musik leben könnt: Wie wahrt ihr das Gleichgewicht zwischen Kunst und Broterwerb?

Ich habe mein Leben so strukturiert, dass ich viel Zeit mit dem Musikmachen verbringen kann. Ich bin Einzelhändler und seit fünf Jahren mein eigener Chef, also kann ich mir einen Tag freinehmen, wann ich will. Von der Musik zu leben wäre aber natürlich trotzdem fantastisch.

Was kommt in den nächsten Monaten auf euch beziehungsweise uns als Hörer zu?

Ich arbeite schon an einem Akustikalbum, das unter meinem eigenen Namen erscheinen wird - mehr dazu hier: www.johnbassett.co.uk. Man könnte den Stil als akustischen Prog Rock bezeichnen, aber er unterscheidet sich von dem der Band KING BATHMAT. Bei mir im Kopf spukt ständig neue Musik herum und muss irgendwie herausgelassen werden. Daneben befasse ich mich auch mit einem rein instrumentalen Projekt, während die Akustikscheibe gegen Jahresende veröffentlicht werden soll. 2014 kommt dann hoffentlich unsere achte Platte heraus.

Einmal mehr, John: Vielen Dank fürs Interview!

Andreas Schiffmann (Info)
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