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Interview mit FARSOT (18.02.2024)

FARSOT

Dem Black Metal von FARSOT aus Gotha haftet seit jeher etwas Besonderes an, denn obschon die Einflüsse ebenso unverkennbar sind wie der zugrundeliegende Musikstil, lässt sich die Band nicht auf letzteren festnageln. Mit dem vierten Langspielalbum "Life Promised Death" präsentiert sich das Quintett so angriffs- wie experimentierfreudig, und kann dabei auf die souveräne Produktion von Viktor Santura (Triptykon, ehemals Dark Fortress) bauen, der einmal mehr für einen tollen Sound verantwortlich zeichnet. Gitarrist III.XXIII, Schlagzeuger XIX.XVIII und Sänger X.XIX nahmen sich Zeit, um über das neue Album und das nächste Prophecy Fest zu sprechen.

Hallo zusammen und Hut ab vor "Life Promised Death", mit dem Ihr einerseits ein Album mit unverkennbaren FARSOT-Trademarks und andererseits eine mit Überraschungen gespickte Scheibe abliefert, deren stilistische Verortung im Black Metal nur noch gelingt, wenn wir das Reinheitsgebot vergessen. Wir alle haben nun einige Seuchenjahre hinter uns gebracht – wie hat diese Erfahrung auf Eure Band namens FARSOT / Seuche abgefärbt?

III.XXIII: Hallo Thor, Danke für deine netten einleitenden Worte. Im Großen und Ganzen war die Corona-Saison - abseits einiger nerviger Verwehrungen - für uns eine gute Zeit. Gefühlt konnten alle mal wieder herunterfahren, dem ewigen Mahlstrom aus Zeit- und Beschäftigungszwängen entgehen und ihre mentalen Batterien aufladen. Es gab einfach auch wieder Raum, um Kunst zu atmen und diese mit deutlich mehr Hingabe auch auszuleben. Für die Reife und Fertigstellung des neuen Albums glaube ich kein unwesentlicher Faktor. Leider hat der Mensch aber scheinbar nicht viel aus dieser Zeit gelernt, und alles dreht sich mittlerweile noch irrsinniger als zuvor. Das lässt sich aber mit den analytischen Augen FARSOTs wunderbar beobachten und könnte in eine musikalische Verteidigung münden…

Erneut mit Viktor Santura aufzunehmen, hat sich in künstlerischer Hinsicht gelohnt: Es ist ein auditiver Genuss zu hören, wie zum Beispiel Gitarrensaiten schwingen, bestimmte Klänge hallen und auch der – in dieser Form neue – Klargesang ist super aufgenommen und abgemischt. Ihr seid derweil ein eingespieltes Team, oder?

III.XXIII: Das kannst du laut sagen. Viktor ist in dieser Hinsicht unser Mann. Wir kennen uns als Studiokollektiv nun schon seit der Produktion des ersten Albums. Unsere musikalische und gesellschaftliche Sozialisation liegt sehr nah beieinander und wir verstehen und respektieren uns einfach auf eine sehr angenehme Art. Wir haben im Vorfeld schon ziemlich genaue Vorstellungen, was wie klingen sollte. Jedoch verbleibt dem Studioaufenthalt noch genug kreativer Raum zum Testen der ultimativen Amp- und Gitarren-Kombinationen, des für uns perfekten Schlagzeug-Sounds, und dem finalen Timbre aller restlicher Klangbestandteile. Er ist da als eigentlich Außenstehender so fokussiert, dass selbst die weirdesten Ideen eine schnelle technische Umsetzung finden. Die cleanen Vocals wurden aber beispielsweise schon im Zuge der Vorproduktion final aufgenommen. Gerade diese Vorproduktion, die unter der Aufsicht unseres Bassisten in Leipzig von statten ging, verschaffte uns einiges an zeitlichem Vorsprung, Klarheit in der Ausrichtung und Sättigung im Gesamtergebnis.

Wurden die Songs auf "Life Promised Death" in der Reihenfolge ihrer Entstehung aneinandergereiht, also vom traditionalen zum neueren FARSOT-Sound, oder hat sich das anders ergeben?

XIX.XVIII: Nein, wir haben die Songreihenfolge bei einer besinnlichen Besprechung anhand der Vorproduktion festgelegt. Das heißt, alle Songs wurden nochmals genau unter die Lupe genommen und gemeinsam die Reihenfolge bestimmt. "Nausea" ist im Entstehungsprozess sogar als letzter Song entstanden und "Chimera" war der erste Track. Ich denke, das nächste FARSOT-Album wird sich dann eher in Richtung "Transilvanian Hunger" bewegen…

X.XIX: ...mit progressiv avantgardistischer (ugh… dieses Wort) FARSOT-Note natürlich.

Im Begleitschreiben zum Album wird betont, wie lange der Kern von FARSOT bereits besteht, und seit Eurem Gig auf der Krayenburg sind mehr als 20 Jahre ins Land gezogen, somit stehen – oder stolpern? – wir durch die Mitte unseres Lebens, das wir nicht mehr wie mit Anfang 20 führen – oder doch? Welche Rolle spielt FARSOT heute in Eurem Leben im Vergleich zu den Anfangstagen und wie wichtig ist Euch die Band als vergleichsweise festes soziales Gefüge?

XIX.XVIII: FARSOT war und ist immer ein sehr wichtiger Bestandteil in unserem Leben. Es ist einfach wunderbar, das alles mit seinen besten Freunden erleben und teilen zu dürfen. Das gemeinsame Musizieren schweißt zusammen und unsere Freundschaft sorgt für ein ungemein stabiles Bandgefüge, welches bis auf nur eine einzige personelle Veränderung an der zweiten Gitarre nach "fail.lure" durchweg konstant ist. In Bezug auf unsere Anfangstage lässt sich sagen, dass wir damals viel mehr Zeit hatten, um unserer gemeinsamen Passion zu frönen. Heute ist fast jeder von uns in einem Vollzeit-Job beschäftigt. Daneben gibt es familiäre Verpflichtungen. Ich z.B. habe zwei kleinere Kinder, welche des Öfteren meine volle Aufmerksamkeit verlangen. Vor 20 Jahren waren wir noch viel unbekümmerter. Es gab diverse Exzesse mit etlichen haarsträubenden Aktionen. Nach Konzerten wurden die Nächte durchgefeiert und wir sind erst wieder nach Hause gefahren, wenn man wieder halbwegs verkehrstüchtig war. Heute ertappe ich mich des Öfteren beim Checken der Uhrzeit, um ja nicht zu spät zu Hause zu sein. Der Haussegen sollte nicht zu sehr in Schieflage geraten. Aufgrund dieser äußeren Einflüsse wird es mit der Band manchmal zu einem ganz schönen Balance-Akt. Verzichten auf FARSOT wollen wir aber keinesfalls. Die Band ist für uns wie ein Anker, einfach ein gesunder Gegenpool zum Alltagsleben.

Alben im Jahresrhythmus aufzunehmen war bislang nicht Euer Ding. Wäre das dennoch mal eine Idee, die ihren eigenen Reiz hat; vielleicht auch, um sich als Band noch mal ganz anders herauszufordern und mit Spontaneität zu glänzen?

XIX.XVIII: Ich glaube es wäre nur eine gute Idee, wenn uns allen ein Jahr Sabbatical geschenkt würde. Wie gesagt, unsere Jobs und das Familiäre brechen recht viel von unserer verfügbaren Zeit ab. Überdies benötigt Kreativität besondere Stimmungen und auch mal längere Pausen. Andererseits sind wir ja trotzdem auch nicht so langsam, wie es scheint. Die Musik war schon 2021 fertig geschrieben. Danach ging es an die Ausarbeitung der Lyrics und des Konzeptes. Es folgte die Vorproduktion usw. Das alles sind Prozesse, die im Hintergrund ablaufen. Aufgenommen haben wir das neue Album dann bereits Anfang 2023. Und nun dauert es eben nochmals ein ganzes Jahr bis zur Veröffentlichung. Wir nehmen uns jedes Mal vor, für das nächste Album vielleicht etwas "schneller" zu sein, aber wir forcieren hier nichts und überlassen es dem Lauf der Dinge.

Ihr kehrt im Spätsommer zum diesjährigen Prophecy Fest in die Balver Höhle zurück. Für Euch ist das sicher auch ein Höhepunkt, den Ihr anders angeht als reguläre Konzerte, oder? Dürfen wir mit "Schmankerln" rechnen?

XIX.XVIII: Ja, in der Tat ist die diesjährige Rückkehr in die Balver Höhle ein großer Höhepunkt für uns. Wir sind begeistert, erneut dort spielen zu dürfen und empfinden dies auch als große Wertschätzung von Seiten unseres Labels. Ich denke aber, wir gehen es trotzdem so an, wie jedes andere unserer Konzerte, da wir wie gesagt immer bestrebt sind, das Beste zu geben. Sicher werden wir etwas aufgeregter sein als sonst. Allerdings ist es ja auch nicht das erste Mal, dass wir unsere Musik in einem größeren Rahmen spielen werden. Überlegungen zur Songauswahl und passender Untermalung sind schon im Gange. Ich denke, da werden einige Überraschungen kommen. Wir wollen jetzt aber auch noch nicht zu viel verraten.

Ihr habt ein finsteres Video für einen Song gedreht, der musikalisch an "The Antagonist" anzuknüpfen scheint, zudem vollzieht Jan als Besen schwingender Straßenkehrer den symbolischen Kniefall vor Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" Clip. Trotzdem ist das Ganze am Ende zum Kotzen – wann immer Ihr auch nur in die Nähe des Verdachts geraten könntet, es den Hörern "leicht" zu machen, setzt Ihr garstige Kontraste…?!

X.XIX: Es ist ja nicht so, als würden wir es dem Hörer unnötig schwer machen wollen, aber allzu geradlinige Konzepte liegen uns wohl eher fern oder wir sind schlicht der Simplizität nicht mächtig. Ja, natürlich könnte man Assoziationen finden, gerade im Dreiklang "Who am I"? und "Now I see"! Irgendwie hat es sich so ergeben und richtig angefühlt. Vermutlich ist das der Drang, komplex erscheinende Soundlandschaften durch eingängige Phrasen zu durchdringen. Musikalisch bilden "The Antagonist" und "Nausea" aber kein Zweigestirn, zumindest nicht bewusst, denn im Verlauf unserer kleinen und bescheidenen Discografie kann man einige weitere – ich denke da z.B. an "Perdition" von "Insects" – Songs finden, die einem relativ ähnlichem Muster folgen, jedenfalls musikalisch betrachtet.
Ja, im Prinzip ist unser Hausmeister in seiner Rolle gefangen und geht stumpf seiner Arbeit nach, ohne darüber nachzudenken, warum er zu dieser Tageszeit tätig ist und wohin er den Dreck kehrt. Natürlich ein leicht überzogenes Abbild unserer Gesellschaft, aber vielen Seelen scheint es so zu gehen, ohne das "Warum?" zu hinterfragen. Wir leben betäubt in unseren Blasen, ohne den Drang zu verspüren, auszubrechen. Das ist nur (m)ein flacher Betrachtungswinkel, aber der des Songs und schließlich von "Life Promised Death". Der Protagonist trifft einige verschiedene, traurige, gestrandete, in ihren Rollen gefangene, hilflose und ausgelieferte Charaktere. Am Ende bleibt die Frage offen, ob der Protagonist als Geist der Selbstreflektion einzelner Individuen auftritt oder eine weitere gescheiterte Existenz darstellt, die im Laufe der Nachtreise diese Erkenntnis erlangt… "now I see, what‘s really me".

Danke Euch für Eure Zeit und bis spätestens in der Höhle!

Vielen Dank auch an dich und bis bald!

Thor Joakimsson (Info)
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