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Accept / Hell - Oberhausen, Turbinenhalle - 17.04.2012

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Am Tag der Veröffentlichung von "Stalingrad", ihrem zweiten Album mit Neu-Sänger Mark Tornillo, geht die urteutonische Edelstahlschmiede ACCEPT auf Europatournee. Als Vorband mit dabei sind HELL. Und nur die. Keine drei weiteren Bands, die eh keiner sehen will, sondern nur eine einzige Vorband, die ihre Rolle auch noch - das sei an dieser Stelle vorweggenommen - mit Bravour ausfüllt. Nach drei Dates in Frankreich, Belgien und den Niederlanden setzt der Tross nach Süddeutschland über, macht noch schnell den obligatorischen Abstecher ins schweizerische Pratteln um dann an einem Dienstagabend in Oberhausen Halt zu machen.

Bei der Anfahrt zur Turbinenhalle stellt man fest, dass unheimlich viele Autos bereits auf der Zufahrtsstraße parken. Wird es tatsächlich so voll, dass der Hauptparkplatz schon komplett besetzt ist? Nein. Des Rätsels Lösung ist die Entdeckung einer kleinen Geldader. Fürs Parken direkt an der Venue muss man nämlich seit Anfang des Jahres 3 € abdrücken. Nimmt man zähneknirschend hin. Und der Parkplatz ist dann tatsächlich noch nicht allzu voll. In der Turbinenhalle angekommen wundert man sich zunächst ein wenig über das Publikum. Man sieht deutlich, dass ACCEPT eine Band der alten Garde sind, dementsprechend ist der Altersschnitt bei den Gästen höher, als bei den Konzerten, die man zuletzt so besucht hat. Die Halle wird letztlich zu gut drei Vierteln voll sein. Kurzer Abstecher zum Merchandise mit angenehmer Überraschung. Zum einen ist die Auswahl an Shirts und anderen Artikeln ziemlich hoch, zum anderen liegen die Preise für die Leibchen zwischen 15 und 25 €, was durchaus fair ist. Das superedle "Metal Heart"-Shirt in grau wird später noch erworben werden.

HellKurz vor 19.30 Uhr erklingt RAINBOWs "Long Live Rock 'n' Roll" in der Halle und gibt den Startschuss, wenige Augenblicke später erscheinen HELL auf der Bühne. Und zünden von der ersten Sekunde an ein Feuerwerk theatralischen Heavy Metals. Links und rechts auf der Bühne stehen Aufsteller mit beleuchteten Kirchenfenstern, die aber überaus unfromme Darstellungen zeigen. Eine gigantische Kanzel steht ganz links und wird im Verlaufe der Show auch zum Einsatz kommen. Die Mitglieder der Band, die ihre Anfänge zu Beginn der 80er hatte, sind fahl geschminkt und wirken, als kämen sie direkt aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett, sind dafür aber enorm beweglich. Relativ unscheinbar auf der linken Bühnenseite bearbeitet Initiator Andy Sneap sein Instrument, optisch machen die beiden anderen Saiteninstrumentalisten einiges mehr her. Basser Tony Speakman sieht man am deutlichsten an, dass er nicht mehr der Jüngste ist, sein tief gefurchtes Gesicht sorgt in Kombination mit dem schütteren Haar für ein skurril-gespenstisches Gesamtbild. Mit seinen langen Dreads könnte Gitarrist Kev Bower dagegen auch bei den NINE INCH NAILS oder bei MARILYN MANSON mit auf der Bühne stehen, ohne negativ aufzufallen. 

Das optische Hauptaugenmerk liegt aber auf Sänger David Bower, dem man deutlich anmerkt, dass er aus dem Theater kommt. Mit Stacheldraht-Krone auf dem Kopf, blutroten Kontaktlinsen in den Augen und Headset-Mikrofon stürmt er auf die Bühne und beeindruckt nicht nur mit einem außergewöhnlichen Gesang, sondern auch mit seiner lebendigen Performance, bei der er auch immer wieder mit dem Publikum interagiert. Es ist wirklich ein Hochgenuss, wie er mit Gesten und Mimik die Songs interpretiert. Zu "Plague And Fyre" kommt er mit Mönchskutte und schauriger Vogelskelett-Maske auf die Bühne, bei "Blasphemy And The Master" geißelt er seinen nackten Oberkörper mit einer Peitsche. Oder er springt in den Fotograben und legt den Zuschauern in der ersten Reihe die Hände auf, um eine Dämonenaustreibung vorzunehmen. Natürlich merkt man zu jeder Sekunde, dass das nichts anderes als großes, shakespearianisches Theater sein soll, das jedoch ist auch ganz großartige Unterhaltung. In den 45 Minuten, die HELL zur Verfügung stehen, kommen natürlich nur Songs des einzigen Album "Human Remains" zum Zug, die werden von der Band bei gutem Sound (bei dem es nur anfangs leichte Schwierigkeiten gibt) souverän gespielt. Zu einem perfekten Auftritt fehlen nur noch die Höllenfeuer-Pyros, aber die gibt es für eine Vorband natürlich nicht.

AcceptEine halbe Stunde dauert die Umbaupause, dann stehen ACCEPT auf der Bühne. Und werden in den kommenden zwei Stunden beweisen, dass sie gefahrlos eine starke Vorband wie HELL mit auf Tour nehmen können, wohl wissend, dass man da noch locker einen draufsetzen kann. Im Hintergrund prangt ein großes Backdrop mit dem bunten Cover der "Stalingrad"-Platte (das ja nur eine Notlösung darstellt), davor erhöht das transparente Drumkit von Stefan Schwarzmann mit fettem Gong im Hintergrund und zwei riesigen Toms links und rechts. Vor den Drums ist eine kleine Fläche, auf die die Musiker über zwei Stege links und rechts kommen. Und wie es sich gehört, zieren insgesamt 27 Boxen mit ACCEPT-Logo das Bühnenbild. Das sieht laut aus und laut sind ACCEPT auch an diesem Abend. Viel zu laut ist zunächst der Drumsound und es dauert einige Zeit, bis man das in den Griff bekommt. Ab dann ist der Sound auch ausgewogen, aber in der Tat so laut, dass Ohrenstöpsel an diesem Abend dringend angebracht sind.

AcceptNach dem "Heaven And Hell"-Intro geht es - etwas überraschend - nicht mit "Hung, Drawn And Quartered", dem Opener des aktuellen Albums los, sondern mit "Hellfire", bei dem die Bühne passend in rotes Licht getaucht ist. Und sofort wird klar, was einen in den nächsten zwei Stunden erwartet. Ein Wolf Hoffmann an der Gitarre, der entweder wie ein Honigkuchenpferd grinst, Grimassen schneidet oder die typischen Posen mit Basser Peter Baltes zur Schau stellt. Die beiden sind die Aktivposten auf der Bühne. Der zweite Gitarrist Herman Frank erledigt seine Aufgabe etwas zurückhaltender, aber ebenfalls mit viel Spielfreude. Alle drei sind für charakteristischen Backing Vocals zuständig, die direkt im folgenden "Stalingrad" zum Zuge kommen. Sänger Mark Tornillo schwenkt in dem Song auch eine ACCEPT-Flagge, was ein bisschen übertrieben pathetisch wirkt, aber sei es drum. Das gehört bei ACCEPT eben auch dazu. Mit "Restless And Wild" folgt der erste Klassiker von 1982, vom gleichen Album folgen noch "Neon Nights", natürlich "Princess Of The Dawn" (mit gutem Bass-Solo) sowie als letzter Song des Hauptteils das famose "Fast As A Shark". Überhaupt ist die 21 Songs starke Setlist extrem 80er-lastig. Von "Breaker" (1981) gibt es den Titeltrack und "Son Of A Bitch", von "Balls To The Wall" (1983) natürlich den Titeltrack als allerletzten Song sowie "Losers And Winners" und von "Metal Heart" (1985) drei Songs: "Up To The Limit", "Living For Tonite" sowie den Titeltrack als erste Zugabe. Dazu wird der Löwenkopf, der früher das Logo zierte, hinter den Drums in die Höhe gehievt und leuchtet rot aus den Augen. Mit "Monsterman" und "Aiming High" vom "Russian Roulette"-Album von 1986 gibt es weitere Songs, die man nicht unbedingt auf der Rechnung hatte, zu hören. Ein einziger Song aus den 90ern wird gespielt, nämlich "Bulletproof" von der "Objection Overruled", bei dem sich Baltes und Hoffmann ein cooles Duell Bass Vs. Gitarre liefern. Auch bei solchen Aktionen spielen ACCEPT ihre Erfahrung voll aus, es wird nie übertrieben in die Länge gezogen (gleiches gilt für die Mitsingspielchen bei den üblichen Verdächtigen), darf aber auch nicht fehlen. Seinen großen Einzelmoment hat Hoffmann nach "Shadow Soldiers" vom neuen Album, das jetzt schon als Liveklassiker gesehen werden darf. Fehlen nur noch die Songs vom Comebackalbum "Blood Of The Nations", davon werden - auch etwas überraschend - "Pandemic", "No Shelter", "Bucketful Of Hate" und natürlich "Teutonic Terror" als zweite Zugabe gespielt.

Was bleibt noch zu sagen, außer dass ACCEPT mit Mark Tornillo einen Glücksgriff getan haben (der jedoch ruhig mehr mit dem Publikum kommunizieren könnte), der stimmlich den guten alten Udo locker in den Schatten stellt? Eigentlich nichts, außer dass es ein schwer gelungener Konzertabend mit zwei Bands ist, die beide für allerbeste Metal-Unterhaltung sorgen.

Andreas Schulz (Info)

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