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Sofia Talvik - Der Stock, Lüdenscheid - 14.02.2014

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Zu ihrem zweiten Konzert im „Stock“, dem so genannten „Wohnzimmer Lüdenscheids“, empfängt die Bergstadt die schwedische Musikerin Sofia Talvik mit einem nicht nur für diese Jahreszeit typisch trüben Wetter: Nebel und Nieselregen hüllen sich unter einer grauen Wolkendecke in matte Schleier, so dass sich der weit gereiste Gast aus Göteborg an die vier nassen Jahreszeiten daheim erinnert fühlt und dies zu Beginn eines besinnlichen Abends dem handverlesenen Publikum mit ganz eigenem Charme mitteilt. Die auf ihrer Bandcamp-Seite gestellte Frage „Do you believe in fairy tales?“ beantworten die Sauerländer mit beschämender Übersichtlichkeit: gerade mal ein paar Handvoll Musikliebhaber finden sich zum kostenlosen (!) Konzert ein.


Wenn es anfangs so etwas wie Eis gibt, dann bricht selbiges bereits bei Sofia Talviks Begrüßung, aus der eine Vorfreude auf eine musikalische Darbietung in quasi-familiärer Runde spricht. Das den Liederreigen eröffnende „King Of The Willow Tree“ zieht die Zuhörer gleich mit sehnsuchtsvollem Gesang in seinen Bann und klingt ein bisschen so wie Goldfrapp auf ihrem „Seventh Tree“ Album – ein starker, die Phantasie anregender Einstieg. Es ist Valentinstag und für die Schwedin ist das ein willkommener Anlass, vor allem jene Songs zum Besten zu geben, welche sich den facettenreichen Verwirrungen der Liebe widmen. Diesen spürt sie mit Leidenschaft nach, und zwar auch dann, wenn das Melancholische zum Abgründigen neigt: ein Lied, so erzählt sie, habe sie einst für eine Freundin geschrieben, die an den ganz falschen Mann geraten sei – wie im Leben, so in ihren Liedern besinnt sich Talvik darauf, aus den dunklen Erfahrungen Mut und Hoffnung für Veränderung zu schöpfen. Sie mag keine Virtuosin an der Akustikgitarre sein, doch die Art, wie sie dunkle und helle Klänge in einem dichten Spiel kontrastreich gegenüberstellt und somit Spannung erzeugt, kündet von künstlerischem Eigensinn.

„Kunst hat nichts damit zu tun, ob du viele CDs verkaufst oder wie viel Geld du damit erwirbst, sondern ob du es durchziehst“, hat ihr Vater ihr mit auf den Weg gegeben, dem sie in Dankbarkeit den Song „Something Good“ widmet: Der Glaube an die Möglichkeit zum Guten ist greifbar in der manchmal schlichten, jedoch nie beliebigen Musik zwischen klassischer Songwriter-Schule, schwedischem Folk und dezenten Country-Einflüssen. Zwischendurch erzählt die Sängerin von ihrer Tournee durch Amerika, bei der ihr Mann und sie anderthalb Jahre in einem kleinen Wohnmobil hausten und so gut zurecht kamen, dass er sie immer noch auf Konzertreisen begleitet – heute Abend zu ihren Füßen am Mini-Mischpult. Daraus abgeleitete Lebensweisheiten wie die Regel, dass ein Paar sich niemals schlafen legen sollte, wenn es noch zerstritten ist, teilt sie mit ihren Zuhörern ebenso locker wie ihre Wahrnehmung der Deutschen: Diese mögen Bier und zögen sich gerne aus – zumindest im Osten der Republik. Das Lied „Naked“ kommt mit weniger Klischees aus, besticht jedoch wie der Großteil des Repertoires durch persönliche Ausdrucksstärke.

Höhepunkte des zweiteiligen Konzerts bilden neben dem betörenden „The Garden“ und dem leicht psychedelischen „Delusional“ die beiden Traditionals von der im März (2014) erscheinenden „Folk“-EP, auf welcher Sofia Talvik sechs alte Liebeslieder mit frühlingshafter Kraft neu vertont hat. In der gemütlichen Kneipe bleiben für einige Minuten die Uhren stehen und selbst die dumpfen Beats einer Abi-Feier nebenan scheinen demütig zu verebben, als die Sängerin die Ballade „Min Ros, Min Lilja“ intoniert. Wunderwunderschön. Mit „She's Leaving“ und der Zugabe „At The End“ findet ein rundherum gelungenes Konzert ein besinnliches Ende.


Bei Gesprächen mit den wenigen Musikfreunden am Bühnenrand ist mehrfach zu vernehmen, wie sich einige bei der Schwedin dafür entschuldigen, dass sich nur etwa 20 Menschen eingefunden haben. Diese nimmt es mit Humor, beteuert, wie gerne sie vor einem Publikum spielt, welches ihr so nah ist wie in diesem Wohnzimmer, und überlegt, ob bei ihrem nächsten Aufenthalt in Lüdenscheid wohl die Sonne scheint. Schön wär's, vor allem, wenn ihre stimmungsvollen Lieder bis dahin mehr Menschen auf so natürliche Weise bereichern.

Thor Joakimsson (Info)

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