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Klaus Schulze: Dziekuje Poland Live ‘83 (2001) (Review)

Artist:

Klaus Schulze

Klaus Schulze: Dziekuje Poland Live ‘83 (2001)
Album:

Dziekuje Poland Live ‘83 (2001)

Medium: Do-CD
Stil:

Elektronische Musik

Label: M.I.G.-Music GmbH / Indigo
Spieldauer: 154:27
Erschienen: 29.04.2016
Website: [Link]

Nach dem schwachen Album „Audentity“ war wohl endgültig klar: „Schulze goes digital!“ - und seine Musik kommt nicht aus „Instrumenten“, sondern von digitalen Festplatten. Der Musiker Schulze wurde mehr und mehr zum Programmierer und schuf virtuelle statt analoge Klangwelten.
Ein wirklich gutes Gefühl hinterließ das nicht, besonders bei denjenigen, die lieber einem „irrlicht“ernden „Cyborg“-Schulze und seiner „Picture Music“ durch den „Timewind“ Richtung „Moondawn“ auf des Suche nach dem „Black Dance“er folgten, um mit ihm zum „X“ten Mal einen „Body Love“-Pornostreifen nicht zu schauen, sondern zu hören.
Ein Gefühl, das man sicher aus heutiger, digital revolutionierter Weltsicht nicht mehr verstehen kann. Aber solche alten Säcke, wie beispielsweise der Kritiker dieser Zeilen, kennen dieses Gefühl noch verdammt gut und vermissten es bei ihrem elektronischen Pionier Schulze, dem auch noch durch „Dziekuje Poland Live ‘83“ ein wenig seine Glaubwürdigkeit abhanden kam, da er noch auf seinem 80er-“...Live...“-Album versprochen hatte, dass dies sein erstes und zugleich einziges Live-Album sei und bleiben würde.

Doch wenn man diese zweite Live-Doppel-CD, die bereits drei Jahre nach Schulzes Versprechen, das auch auf Dauer und in Anbetracht seiner vielen Live-Veröffentlichungen ein Versprecher bleiben sollte, hört, so wäre es sehr schade gewesen, wenn diese, eigentlich nur für Schulzes privates Archiv mitgeschnittenen Aufnahmen nicht das erst analoge Licht der Vinyl- und dann das digitale Licht der CD-Welt erblickt hätten. Schon der historische Ort bzw. das historische Land hinter dem Eisernen Vorhang des Kalten Krieges sind bewahrens- und bewundernswert. Auch die Musik auf „Dziekuje Poland“ (Danke Polen!) zeigt einen zwar „digitalisierten“ Schulze mit tatkräftiger Unterstützung von RAINER BLOSS, doch die vier nach polnischen Städten benannten und das fünfte „Dankeschön“-Stück weisen eine ungewöhnliche Abwechslung und Dynamik auf. So kann man ohne Weiteres auch die Begeisterung des amerikanischen „Synthetic Pleasure“ verstehen, die 1984 zu diesem Album schreiben: „Diese Aufnahmen sind ein absolutes Muss für alle Sammler und zugleich ein hervorragender Einstieg, für diejenigen, die Schulzes Musik kennenlernen wollen – meine allerhöchste Empfehlung für dieses Album.“

Auch weiß ich noch genau, wie ich „Ossi“, der mangels anderer Reisemöglichkeiten oft nach Polen fuhr, um dort in Plattenläden nach besonderen Entdeckungen zu suchen, hoch erfreut und glücklich dieses Album 1985 als Muza-Ausgabe (das polnische Plattenlabel) für 800 Zloty (damals ca. 30 DDR-Mark – ein absolutes Schnäppchen, für das ich als „West“-Ausgabe mindestens das Fünffache hätte zahlen müssen!) ergattern konnte. Noch heute gilt diese originale Polen-Ausgabe des Albums als eine besondere, mit vielen schönen Erinnerungen verknüpfte Musik-Rarität in meinem Plattenschrank, die ich natürlich aus Anlass meiner Review seit langem endlich mal wieder hervorgeholt habe. Sogar in polnischer Sprache sind, neben den vielen Schulze-Bildern (Welche man auch in der Mitte des 16seitigen Booklets dieser Doppel-CD sehen kann!), im Inneren des Klapp-Covers Erläuterungen Schulzes zu diesen Aufnahmen zu lesen, die man zwar nicht im CD-Booklet, dafür aber hinter dem durchsichtigen Plast-Inlay, wenn man CD 1 entnimmt, findet. Notwendigerweise erfährt man bei diesem Statement auch, warum er sein Versprechen, keine weiteren Live-Alben aufzunehmen, wegen dem Polen-Konzert, nicht halten konnte. Außerdem setzt er dann genau zu diesem Muza-Doppel-Vinyl fort: „Weil ich nur instrumentale Musik machte, konnten wir (Bloss – übrigens ein Musiker aus der DDR - & Schulze – T.K.) die Einladung des polnischen Veranstalters annehmen und hatte auf der Tour auch keine Probleme mit irgendwelchen Typen von der Staatssicherheit. Obwohl wir in Gdansk wahrscheinlich knapp davor waren, denn da haben wir in der Halle gespielt, in der einen Tag vorher Lech Walesa (Führer der oppositionellen Gewerkschaft „Solidarnosc“) eine Rede gehalten hatte. Rainer und ich sind auf die Bühne gegangen und haben wie üblich unser V-Zeichen gemacht. Das war nicht politisch gemeint, sondern eher wie ‚Love & Peace‘. Trotzdem haben sie das Foto mit dem V-Zeichen bei der polnischen Ausgabe rausgenommen.“

Und tatsächlich. Während ich das polnische Album in der Hand halte und nach dem Foto suche, ist es nirgends zu entdecken. Im Abgleich mit dem Booklet-Bild aber wird klar, wie geschickt man dieses Bild im stalinistischen Sinne verschwinden ließ. Genau an der Stelle, wo sich das Bild befand (ca. mittig innerhalb der rechten Bildinnenseite) klafft ein schwarzer Fleck, auf dem man einfach in silberner Schrift geschrieben hat:

KLAUS SCHULZE
RAINER BLOSS
„Dziekuje Poland“
Live ‘83

Eine interessante Art der musikalischen Ost-West-Völkerverständigung anno 1983.

KLAUS SCHULZEs Musik jedenfalls vermochte alle Grenzen zu überwinden. Schon das ist sehr viel wert. Doch dass dieses Live-Album auch nach „Audentity“ eine rundum positive Überraschung ist, die den „alten“ wie „neuen“ Schulze zu einer gelungenen Symbiose wiedervereint, macht es zu einem Highlight der Schulze-Ära.

Zu den Bonus-Tracks gibt es noch folgendes zu sagen, bevor mal wieder die Feststellung gemacht werden muss, dass diese 2016er-Ausgabe von MIG Music erneut identisch mit der 2006er von Revisited Records ist:
Das 25minütige „The Midas Hip Hop Touch“ (CD 1) ist eine Live-Fassung von „The Midas Touch“ der 25-CD-„Jubilee Edition“ aus dem Jahr 1997.
Das 36minütige „Dzien Dobry“ (Guten Tag) der zweiten CD ist ein andere Version des Stücks „Spielglocken“, welches während der Tour beim Abschlusskonzert in Gdansk aufgezeichnet wurde. Schulze war dabei besonders wichtig, dass „unbedingt meine kleine Ansage drin ist, mit der ich mich beim polnischen Publikum bedankt habe. Das war mir wichtig, weil die Polen so fantastisch waren – nicht nur das Publikum, auch die Crew.“
Die Namen aller deutschen und polnischen Crew-Mitarbeiter darf man dann auch ganz exakt hinter dem durchsichtigen Inlay der zweiten CD nachlesen!
Und ganz am Ende noch eine geheimnisvolles, wohl nur auf dem polnischen Original-Doppelalbum nachzulesendes Mysterium...
Soll ich es wirklich verraten?
Ach ja, nur meine Deutung dazu werde ich mir besser verkneifen!
Hinter den natürlich in polnischer Sprache angegebenen Städtenamen (beispielsweise heißt „Warsaw“ natürlich „Warszawa“, ausßerdem sind die originalen polnischen Lettern verwendet usw.) verbirgt sich grundsätzlich in Klammern gesetzt ein Frauenname, die auf den Neuausgaben und wohl auch westlichen Auflagen „eliminiert“ wurden. Seltsam, dass noch nicht einmal in dem umfangreichen Booklet darauf eingegangen wird – hat da jemand ein schlechtes Gewissen, oder was ist der Grund.
Darum hier der Vollständigkeit halber die Auflistung aller Frauennamen nach LP-Seite:
Seite A: Iris; Seite B: Halina; Seite C: Janina; Seite C: Tina und Margot

FAZIT: „Dzeikuje Poland Live ‘83“ ist ein wahrer und zugleich geheimnisvoller Live-Volltreffer des Elektronik-Pioniers KLAUS SCHULZE, den es, hätte Schulze zu seinem Versprechen nach dem ersten Live-Album gestanden, nie hätte geben dürfen. Da lobt man sich dann doch eine Lüge, denn die Musik ist mehr Wert als ein vorzeitig hingeplappertes Wort zu Zeiten, als die digitale Technik noch nicht so weit war wie anno 1983, als Schulze feststellen musste: „Die Aufnahmen, die Musik, das Publikum, das Gefühl und die Energie wären zu schade gewesen, um in Vergessenheit zu geraten!“

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4335x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • CD 1 (75:55):
  • Katowice
  • Warsaw
  • The Midas Hip Hop Touch (Bonus Track)
  • CD 2 (78:40):
  • Lodz
  • Gdansk
  • Dziekuje
  • Dzien Debry! (Bonus Track)

Besetzung:

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